Gelesene Bücher im November 2021

  • Peter Vermeulen: Autismus als Kontextblindheit. Sachbuch, aus der Bibliothek. Daß Autismus als Kontextblindheit definiert wird, ist keine neue Idee, was der Autor auch einräumt. Er beleuchtet das Thema von verschiedenen Seiten, z.B. auf Grundlage seiner Erfahrungen als Leiter eines Zentrums für Menschen mit Autismus in den Niederlanden, auf Basis klinischer Tests und durch Anekdoten, die er von anderen Autismusforschern erzählt bekommen hat. Das Fazit lautet: auch Autisten können Kontext erkennen und Begebenheiten korrekt einordnen, sofern sie die Chance dazu erhalten, indem ihnen z.B. jemand auf die Sprünge hilft. Echte Kontextsensitivität, schreibt Vermeulen, werden Autisten niemals entwickeln, doch mit zunehmendem Alter entwickeln wir ein Gespür dafür. Das Buch hat mir gut gefallen, weil es kurzweilig und informativ war, auch wenn Vermeulen hier kein Neuland betritt. 4/5.
  • Wolf Serno: Tod im Apothekenhaus. Historischer Roman, aus dem Bücherschrank. Theodorus Rapp, seines Zeichens Apotheker in Hamburg, wird eines Nachts überfallen und seiner Kleider beraubt – doch damit fängt sein Unglück erst an, denn es stellt sich heraus, daß die Diebe es eigentlich auf seinen Thesaurus, also seine große Sammlung von Naturalien, abgesehen haben. Dazu haben sie sogar einen Doppelgänger Rapps aufgetrieben. Rapp, nun auch seiner Existenz beraubt, findet in der Näherin Mine, dem Boten Fixfööt und einigen anderen Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, Freunde und Verbündete. Wird er sich seine Sammlung zurückbeschaffen können? Mir hat das Buch trotz seiner Logiklücken gefallen, insbesondere auch durch das Hamburger Platt, das auch in meiner Familie gesprochen wurde. 4/5.
  • Erich Trüg und Marianne Kersten: Praxis der Kunsttherapie. Sachbuch, aus der Bibliothek. Die beiden Autoren legen hier eine umfassende Ideensammlung für kunsttherapeutisches Arbeiten vor. Abgerundet wird das Buch durch Anleitungen für die Beurteilung von Arbeiten, die in der Kunsttherapie entstanden sind, sowie für Phantasiereisen u.a. Die Ideensammlung gefällt mir gut, allerdings glaube ich, daß der Warnhinweis fehlt, daß vieles auch einfach sehr heftig triggern kann… 3/5.
  • Josephin Lorenz: Anders ist eine Variation von richtig – PEP und Kunsttherapie bei Autimus. Sachbuch, aus der Bibliothek. Lorenz berichtet von ihrer Arbeit mit autistischen Kindern und Jugendlichen und erzählt davon, wie sie belastende Erlebnisse und allgemeine Streßzustände mit Mitteln der Kunststherapie und der PEP (prozeß- und embodimentfokussierte Psychologie) behandelt. Für mich selbst war das „Klopfen“, das zur PEP gehört, absolut nicht aushaltbar, und das Lesen davon hat auch wieder Körperreaktionen getriggert, aber mir gefiel das positive Bild, das die Autorin von den Eigenheiten autistischer Menschen zeichnet: statt sich auf deren Defizite sowie deren Überwindung zu fokussieren, betrachtet sie lieber deren Vorzüge und Stärken. Abgerundet wird das Buch übrigens mit einer Liste von einigen Defiziten, die NTs haben :mrgreen: 4/5.
  • Andreas Winkelmann: Die Karte. Thriller, aus der Bibliothek. In Hamburg werden Frauen, die gern joggen und ihre üblichen Strecken in den sozialen Medien posten, von einem Unbekannten stranguliert. Gleichzeitig greift die Polizei einen alten Mann auf, der mit einem Unterschenkel auf dem Gepäckträger durch die Stadt radelt. Jens Kerner und seine Kollegen nehmen die Ermittlungen auf und schon bald zeichnet sich ab, daß diese Fälle irgendwie miteinander verknüpft sein könnten… Dieses Buch war für mich das erste aus der Reihe um Jens Kerner. Was mich überzeugt hat, war, daß es endlich mal einem Autoren gelungen ist, einen Polizisten Verstärkung rufen zu lassen :mrgreen: Auch war die Lösung nicht bereits ab der Hälfte des Romans vorhersehbar. 4/5.
  • Durian Sukegawa: Kirschblüten und rote Bohnen. Roman, aus der Bibliothek. Sentaro, ein vorbestrafter Trinker, arbeitet an einem Stand, wo er mit roter Bohnenpaste gefüllte Pfannkuchen verkauft, obwohl er davon träumt, Schriftsteller zu sein. Eines Tages steht die alte Tokue vor ihm und bittet ihn darum, für ihn arbeiten zu dürfen. Obwohl der junge Mann sie anfänglich ablehnt – auch weil er fürchtet, ihre von der Lepra gezeichneten Hände könnten Kunden abschrecken -, entwickelt sich zwischen den beiden und einer Schülerin eine behutsame Freundschaft. Das Buch hat mir nicht ganz so gut wie „Die Katzen von Shinjuku“ gefallen, mich aber doch sehr berührt. Insbesondere weil es oft um die kleinen Dinge geht. Ich glaube, Sukegawa könnte einer meiner Lieblingsautoren werden. 4,5/5.
  • Makoto Shinkai & Naruki Nagakawa: Das Geschenk eines Regentages. Roman, aus der Bibliothek. Der Roman erzählt die Geschichte von mehreren Menschen und Katzen, deren Leben miteinander verwoben sind. Hat mir gut gefallen – ein leises und schönes Buch. 4/5.
  • Olga Tokarczuk: Gesang der Fledermäuse. Roman, aus der Bibliothek. Frau Duszejko lebt in einem Haus auf einem Hochplateau, welches im Winter von nur drei Menschen bewohnt wird: ihr selbst und ihren beiden Nachbarn Bigfoot und Matoga. Sie vertreibt sich mit Astrologie und Übersetzungen von William Blake, die sie gemeinsam mit ihrem ehemaligen Schüler Dyzio anfertigt, die Zeit. Dann wird Bigfoot tot aufgefunden, doch es bleibt nicht bei dieser einen Leiche. Nach und nach trifft es noch andere Männer, und es scheint so, daß Frau Duszejko die Einzige ist, der auffällt, daß bei jedem Mord offensichtlich Tiere ihre Pfoten im Spiel haben… Dieser Roman hat mich völlig aus den Puschen gehauen. Die Heldin ist wundervoll schrullig, dabei weise. Sie hat einen messerscharfen Verstand und analysiert nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschen in ihrer Umgebung ganz präzise. Ich habe mich – was echt selten passiert – in sehr vielen Zeilen wiedergefunden. Die Geschichte ist sehr berührend, obwohl die Auflösung mich nicht überrascht hat (ich tippte bereits im zweiten Kapitel richtig). Vielleicht ist das Buch darum nur umso wundervoller. Jedenfalls ist dieser Roman erst das zweite Buch in diesem Jahr, das von mir die volle Punktzahl erhält. 5/5.
  • Mark Franley: Der Angst verfallen. Thriller, geschenkt bekommen. In einem Dorf im Bayrischen Wald wird ein Junge tot unter dem Eis im Dorfweiher gefunden. Zeitgleich kontaktiert der Täter eine im Ort ansässige Autorin und zwingt sie dazu, über den Tod des Kindes eine Kurzgeschichte zu veröffentlichen. Und dann wird ein kleines Mädchen entführt…. Die Idee des Thrillers ist interessant, aber für mich waren klaffende Logiklücken und völlig abwegiges Verhalten der drei Ermittler ziemliche Stolpersteine. 3/5.

Und gehört habe ich:

  • Ragnar Jónasson: Dunkel (Hulda 1). Die Kommissarin Hulda wird von ihrem Chef in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. Als „Akt der Gnade“ gewährt er ihr eine Übergangsfrist von zwei Wochen, in denen sie einen alten, ungelösten Fall ihrer Wahl bearbeiten darf, und Hulda entscheidet sich dafür, den Tod einer russischen Asylantin zu untersuchen, die tot in einer Bucht gefunden wurde. Die Geschichte umfaßt drei Erzählstränge, die am Ende miteinander verknüpft werden. Ich fand, daß die Auflösung am Ende etwas jämmerlich und auch dumm war (Spoiler: warum nimmt eine Kommissarin einen Übersetzer mit zu einem eventuellen Tatort, wo die Tat bereits zwei Jahre zurückliegt?), aber vor allem die tolle Stimme von Katje Bürkle hat das Hörbuch für mich zu einem angenehmen Erlebnis gemacht. 3,5/5.
  • Ragnar Jónasson: Insel (Hulda 2). In diesem Band lernen wir einen 15 Jahre jüngere Hulda kennen, die auf der Suche nach ihrem Vater ist. Beruflich muß sie sich mit einem komplizierten Fall auseinandersetzen: auf einer kleinen Insel, auf der sich nur vier Personen aufgehalten haben, wird eine Leiche gefunden. Solide, aber nicht überraschend (viele Möglichkeiten blieben ja auch nicht). 3,5/5.

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