Zwei Wochen Spanisch – mein Resümee

In den letzten zwei Wochen habe ich mit elf Lehrern aus sechs unterschiedlichen lateinamerikanischen Ländern geredet. Hier kommt mein Fazit.

Die Unterrichtsstunden waren so individuell wie die Leute selbst. Wie ich schon schrieb, kann man von einem Vorstellungsvideo nicht darauf schließen, wie Menschen tatsächlich sind bzw. wie ihr Unterrichtsstil ist, und darum würde ich auch nie bei einem Unbekannten mehrere Stunden buchen. Übrigens bieten viele Lehrer besonders günstige Preise für eine einmalige Probestunde an – eine gute Sache. Mein Fokus lag und liegt darauf, mit meinem Lehrer über ganz unterschiedliche Dinge zu sprechen, damit ich mein Niveau und meine Fähigkeit, mich fließend und spontan auszudrücken, erhalten oder vielleicht sogar aufbauen kann. Es geht also darum, eine Gesprächssituation zu schaffen, in der ich wirklich ans Reden komme. Alle Lehrer waren darüber im Vorfeld informiert; bei italki gibt es die Möglichkeit, einander Nachrichten zu senden bzw. ein vorbereitetes Dokument mit Fragen an den Lehrer zu übermitteln. Meine Überraschung war dann schon entsprechend groß, als zwei Lehrerinnen 80% der Zeit selbst redeten, über sich, ihr Leben, ihre Hobbys und anderes. Ja, gewiß ist Hörverständnis wichtig, doch ich finde, daß die beiden sich nicht an meinen Wunsch und meine Bedürfnisse gehalten haben, und daher würde ich mit ihnen nicht wieder eine Stunde buchen. Dazu möchte ich noch was schreiben, nämlich daß ich glaube, daß ich ein netter Mensch bin. Alle Lehrer, mit denen ich geredet habe, haben im Anschluß von mir eine 5-Sterne-Bewertung und einen netten Kommentar bekommen, auch diejenigen, die meiner Ansicht nach nicht auf mich eingegangen sind. Ich mache das deswegen, weil mir mal eine Lehrerin erzählt hat, daß sie nach einer 3-Sterne-Bewertung zwei Monate lang keine einzige Stunde verkauft hat und dadurch in finanzielle Not geriet. Eine Bewertung mit weniger als fünf Sternen würde ich nur dann geben, wenn etwas grob schiefläuft, wenn z.B. der Lehrer arg verspätet aufschlägt oder die Klasse zu früh beendet, wenn er unhöflich ist oder sowas. Probleme mit der Internetverbindung oder mit der Chemie zwischen mir und der anderen Person würde ich nie als Anlaß für eine schlechte Bewertung nehmen. Eine Lehrerin hat z.B. unsere Stunde fälschlicherweise nach 30 Minuten beendet, obwohl ich 60 Minuten gebucht hatte, was ihr aber im Anschluß selbst aufgefallen ist. Sie hat mir angeboten, daß ich nochmal 30 min. buchen soll und wir dann 60 min. machen. Auch sie hat von mir fünf Sterne bekommen, wenngleich ich auch bei ihr nicht wieder buchen würde, aus anderen Gründen. Eine schlechte Bewertung hat sie deswegen trotzdem nicht verdient. Shit happens, das könnte jedem passieren, und sie hat sich ja auch selbst korrigiert.

Bisher habe ich eigentlich immer gedacht, daß mein aktives Spanischniveau nur an mir selbst liegt, aber das ist nicht so. Ich habe nun die Erfahrung gemacht, daß es Menschen gibt, bei denen mein Spanisch von B2/C1 rapide auf B1 abrutscht, und ich denke, das hat mit einem typischen Problem hochbegabter Menschen zu tun: Langeweile. Ich weiß, daß mein Gehirn ganz schnell blockiert, wenn mir langweilig ist, weswegen ich ihm ständig neuen Input bieten muß. Beim aktiven Lernen wechsle ich sehr schnell zwischen verschiedenen Dingen (z.B. Duolingo, Vokabeln, Videos, Lesen etc.), oft im Sekundenrhythmus. Ein Lehrer hat mich mit seiner Art innerhalb von sieben Minuten so ermüdet und gelangweilt, daß ich am liebsten die Stunde abgebrochen hätte, und das lag vor allem daran, daß er mir zwar Fragen gestellt hat, es aber keinerlei Reaktion seinerseits auf meine Antworten gab, aus denen sich ein Gespräch hätte entwickeln können. Es war mehr wie ein lustloses Abfragen mit vielen unterbrechenden Korrekturen. Kontext entstand so überhaupt nicht und ich merkte dann auch, daß ich keine Lust hatte, über persönliche Dinge zu reden. Auch bei diesem Lehrer würde ich natürlich nicht wieder buchen. Andererseits gibt es Leute, die so aufgekratzt sind und hysterisch gute Laune verbreiten möchte, daß ich mich ganz schnell überfordert und genervt fühle.

Besonders schöne Gespräche entstanden dort, wo man Gemeinsamkeiten fand, z.B. das Sprachenlernen an sich, die Gefühle bzgl. der Corona-Situation oder Lebenserfahrungen. Für mich ist es auch immer sehr angenehm, wenn mein Gesprächspartner genauso neugierig auf meine Kultur ist wie ich auf seine. Ich habe unheimlich viel über das Leben in den verschiedenen südamerikanischen Ländern gelernt und das ist genau die Erfahrung, die meine Lernfreude befeuert. Umgekehrt waren meine Gesprächspartner meist sehr überrascht über bestimmte Dinge, die das Leben in Deutschland betreffen, so ist ihnen beispielsweise völlig unklar, wieso wir Deutschen immer noch so einen immensen Schuldkomplex wegen der NS-Zeit mit uns herumschleppen – sehr erfrischend, mal sowas zu hören.

Ein kolumbianischer Lehrer, der auch im RL Spanischlehrer ist, hatte sich besonders gut auf unsere Stunde vorbereitet. Um mein Niveau einschätzen zu können, bat er mich zu Beginn, bestimmte Dinge über mich zu erzählen, und ließ mich dann Bilder beschreiben, Zitate kommentieren und ähnliches mehr. Überraschenderweise (?) hat mir diese Stunde mit am meisten Spaß gemacht…ok, ich bin auch einfach ein Grammatiknerd 🙂 Er fragte als Einziger danach, was ich de facto lernen möchte und auf welche Weise, und er notierte sich meine Angaben in ein Formblatt, das er für jeden Schüler anlegt. Wow.

Allgemein habe ich alle Dialekte gut verstehen können – tatsächlich reden Lateinamerikaner langsamer und deutlicher als viele Spanier. Mit einer Lehrerin aus Mexiko habe ich dann noch über die Unterrichtspreise und mein Dilemma mit der fairen Bezahlung sprechen können. Sie sagte mir, daß es sich in der Regel nicht lohnt, mehr für eine Stunde zu verlangen, weil sie dann nämlich insgesamt weniger Buchungen bekommt. Die meisten, die sich einen südamerikanischen Lehrer suchen, kommen aus den USA, und da ist man offenbar nicht gewillt, mehr Geld für Unterricht bei einem Latino auszugeben, however fucked that is. Ich fragte sie, ob sie sich denn damit nicht ausgebeutet fühlt, und sie erwiderte nein, weil die Lebenshaltungskosten in Südamerika insgesamt niedriger sind und das, was ich als wenig Geld wahrnehme, da einfach weiter/länger reicht. Ich sehe allerdings immer noch eine deutliche Schräglage, verstehe aber auch, daß keinem geholfen wäre, wenn ich aufgrund der niedrigen Preise nicht buchen würde (womit sich meine Vermutung diesbezüglich bestätigt hat).

Von den elf Lehrern würde ich fünf noch einmal buchen, und ich überlege nun, wie ich mir das zeitlich einrichte mit meinen anderen Lehrerstunden und Austauschgesprächen. Den Lehrer aus Kolumbien mit dem Formblatt habe ich mir bereits für fünf weitere Stunden gebucht, weil ich echt sehr angetan von ihm und seiner Art war, und mit einer anderen Lehrerin hatte ich ebenfalls schon eine zweite Stunde.

Ja, und nachdem ich das alles eigentlich nur deswegen gemacht habe, weil meine mexikanische Lehrerin, mit der ich seit dem Frühsommer zusammenarbeite, ihre Preise um inzwischen mehr als 300% erhöht hatte, und ich das einfach nicht bezahlen kann, hat just diese Lehrerin mir einen fetten Nachlaß eingeräumt, weil sie die Stunden mit mir so toll findet und mich gern als Schüler behalten würde. Verrückt 🙂 Aber ich freue mich darüber. Ich werde also doch bei ihr bleiben können, möchte aber fortan wieder mehr und öfter Spanisch machen, so dreimal die Woche etwa.

Fazit? Es war anstrengend und aufgeregend, mich täglich auf einen neuen Menschen einzulassen; dadurch, daß das alles aber durch das italki-Prinzip sehr unverbindlich war, wurde mir der Druck genommen. Mein Spanisch ist jetzt wieder auf einem guten C1-Niveau angekommen und ich war absolut beeindruckt davon, welche Vokabeln mein Hirn noch so ausspuckt. Umgekehrt habe ich White Outs, wenn ich mich langweile oder mir der Tatsache zu bewußt bin, daß ich eine Fremdsprache spreche. Nachdenken ist irgedwie Gift für die flüssige Rede. So eine „Tour de Force“ würde ich wieder machen, auch wenn das ein großer Schritt raus aus der Comfort-Zone gewesen ist. Und zu guter Letzt: Spanisch ist einfach wundervoll ♥

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung