Zur Zeit hat mein Mann Urlaub und ich hatte ihn schon vor Monaten gebeten, mir in den Ferien ein paar Stunden seiner Zeit zu schenken, um nochmal Zeug loszuwerden. Am Wochenende haben wir losgelegt und seitdem jeden Tag zwischen 8 und 15 Kisten durchgeschaut. Den Großteil unserer Dinge, die wir nicht im direkten Zugriff haben wollen/brauchen, lagern wir in großen Plastikkisten mit Rollen und Deckeln. Sehr praktisch, weil staubgeschützt, hygienisch und stapelbar. Der Inhalt jeder Kiste wird photographiert und dann werden die Bilder in eine Storage-Datenbank eingepflegt, die wir angelegt haben. Wenn Kisten kaputtgehen, geleert oder zusammengefaßt werden, muß das entsprechend in der Datenbank aktualisiert werden. Das kostet zwar Zeit, aber in jedem Fall weniger, als es kosten würde, ständig Dinge zu suchen.
Als wir vor fast zehn Jahren in unser Haus gezogen sind, mußte ich eine ganze Bibliothek in ein Bücherregal quetschen (und zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits tausende Bücher rausgeworfen), und da ich nicht bereit war, mich gleich von noch mehr Büchern zu trennen, bedeutete das, daß viele in blauen Kisten landeten. Vor zwei Jahren haben wir unser Wohnzimmer ein wenig umgestaltet, und im Zuge dieser Aktion mußte auch das eine Bücherregal weichen. Es steht jetzt im Flur, doch die Hälfte ist bereits mit Sprachlernbüchern belegt. Einen Teil der Bücher packten wir in ein anderes Regal, auf das ich selbst nicht direkt zugreifen kann, weil es auf dem Treppenabsatz steht. Der Rest wurde ebenfalls in Kisten verpackt. Im Zuge unserer Aufräumaktion diese Woche kamen also kistenweise Bücher bei mir an, die ich eine ganze Weile nicht gesehen hatte. Und wie das so oft mit Dingen ist: wenn man sie erstmal eine Zeitlang nicht in der Hand hatte, braucht man sie irgendwie nicht mehr. Ich habe also diese Woche wieder rund 500 (!!!!) Bücher rausgeworfen. Vermehren die sich eigentlich heimlich? Ich meine, seit Jahren kaufe ich kaum noch Bücher, sondern greife gern auf die Bibliotheken hier zurück. Und wenn ich mal was kaufe, lese ich es und es landet danach im Bücherschrank. Wie kann das sein, daß ich noch immer so viele habe?
Diese Woche dachte ich darüber nach, wie viel Geld ich wohl schon an Bücher „verloren“ haben. Es müssen tausende und abertausende Euros sein. Ich lese seit 37 Jahren und abgesehen von ein paar Jahren, wo mir das Lesen sehr schwerfiel, lese ich schnell und viel. Was genau kauft man aber eigentlich, wenn man ein Buch kauft? Für mich lautet die Antwort in 90-95% aller Fälle: Informationen. Klar gibt es Bücher, die ich mir gekauft habe, weil ich sie schön finde, wie etwa einen großen Bildband vom Jakobsweg, einen Ausstellungskatalog von einem Museum oder sowas. Aber eigentlich bin ich vor allem scharf auf die Informationen aus Büchern, und daher denke ich, daß ich im Grunde auch nur für die Infos bezahle. Jedenfalls macht mir diese Denkweise den finanziellen Aspekt der ganzen Sache etwas erträglicher 🙂 E-Books lese ich inzwischen ab und zu auch, allerdings ziehe ich ganz klar Papierbücher vor. Manchmal bekomme ich aber ein Buch weder in der Bibliothek/von der Fernleihe noch gebraucht, und dann kann ein E-Book eine gute Lösung sein.
Kochbücher sind auch eine große Leidenschaft von mir, aber dankenswerterweise bin ich da auch inzwischen mit der Bibliothek gut versorgt. Die Einzigen, die ich mir echt immer ungesehen kaufe, sind die von Jamie Oliver, denn da weiß ich, daß es sich für uns als Familie lohnt. Es gibt viele toll gestaltete Kochbücher, die ein bestimmtes Lebensgefühl vermitteln sollen, aber die Rezepte sind manchmal echt nutzlos (ich brauche nicht das zweihundertachzigste Rezept für ein Gemüsecurry oder eine Anleitung für ein Spiegelei). Wir haben z.B. einige Bücher von Hugh Fearnley-Whittingstall und so sehr ich seine Sendungen liebe – ich koche kaum was aus seinen Büchern. Er kocht oft total aufwendig und ich bin jetzt niemand, der sich anderthalb Stunden in die Küche stellt für einen Snack. Aber sein Konzept ist schön, weil es die Art von gemütlichem Landleben vermittelt, das ich toll finde. Allerdings kann ich das nicht haben, weil ich nicht gärtnern oder Schweine halten oder sonstwas Körperliches tun kann. Es zeigt mir also immer wieder, was ich nicht habe. Toxisch. Und es gibt auch noch andere Kochbücher in meinem Kochbuchschrank (oh ja, sowas habe ich…), deren Besitz für mich inzwischen zweifelhaft ist, zum Beispiel weil ich sie nie verwendet habe oder weil die Rezepte zu einfach, zu kompliziert oder zu [mäh] sind. Mal sehen, wie es damit weitergeht.
Bücherreihen sind auch so ein Problem. Mein Mann und ich haben vor ungefähr 20 Jahren angefangen, die Sister Fidelma Romane zu lesen, und hatten davon bestimmt zwanzig Stück, die wir aber nie wieder gelesen haben. Jefferey Deaver, Linda Castillo, Chris Carter…herrje, es gibt echt viele Reihen, die ich lese (oder mir vorlesen lasse). Hörbücher sind allerdings kein Storage-Problem, Papierbücher schon. Wir haben uns jetzt also von solchen Bücherreihen getrennt, und das ging seltsam leicht, dabei ist doch gerade Sister Fidelma mit einer schönen Zeit in unserem Leben verbunden und war ein wichtiger Teil von uns. Hm. Ich schätze, wir brauchen diesen Teil nicht mehr in physischer Form. Auch habe ich zig Magical Almanacs und andere Spiribücher rausgeschmissen. Sie waren mir mal wichtig, aber die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ich bei Vollmond einen Kerzenzauber mache, ist gering. Und wenn, dann brauche ich dafür keine Anleitung. Man wächst also auch aus Informationen raus, die man früher mal brauchte, aber inzwischen entweder verinnerlicht und weiterenwickelt hat oder als nicht mehr wichtig erachtet. Der Raum, der frei wird, ist mir wichtiger. Ich glaube, es geht dabei nicht nur um Raum auf meinem Dachboden, den ich de facto gar nicht betreten kann, sondern um Raum in meinem Leben und in mir. Mein Leben hat sich schon so oft so radikal verändert, daß ich nicht immer alles festhalten kann, was mit einer bestimmten Phase verbunden ist (habe übrigens auch zwei Kisten Kleidung aus einem anderen Leben entsorgt). Was mir immer am schwersten fällt, sind Erinnerungen an Menschen. Ein Buch, das jetzt im Bücherschrank landen wird, enthielt z.B. eine sehr persönliche Widmung aus einer Ex-Beziehung. Die Beziehung war Kacke und diese vertraute Schrift und diese Worte zu lesen, war gleich wieder ätzend. Sowas brauche ich nicht mehr, auch wenn das Geschenk mal lieb gemeint gewesen war / sein sollte.
Ich stelle alle aussortierten Bücher in Bücherschränke. Die Mühe, sie einzeln zu photographieren und irgendwo online anzubieten, mache ich mir nicht mehr. Meistens lohnt es nicht, wenn ich Zeit und Aufwand gegen Ertrag aufrechne, und es ist mir auch wichtig, daß Leute kostenlos Zugang zu Büchern / Bildung haben. Ich nutze schließlich auch gern und oft kostenlose Bildungsangebote, da ist es nur fair, wenn ich was zurückgebe. Nachdem mein Mann und ich allerdings schon öfter Zeugen wurden, wie raffgierige Arschlöcher im großen Stil Bücher aus den Bücherschränken entfernen, um sie zu verkaufen, habe ich mir einen Stempel anfertigen lassen, der sagt „Bücherschrankbuch! Verkauf verboten!“. Mit diesem Stempel tobe ich mich an allen Büchern aus, die potentiell noch was wert sind. Sie bekommen dunkelviolette Stempel auf den Schnitt, in den Einband und auf die ersten Seiten im ersten Kapitel. So sind sie weiterhin les-, aber eben nicht verkaufbar. Bücherdiebbashing!
Durch das ganze Aussortieren, das 2007 anfing und seitdem irgendwie nicht mehr aufhört, hat sich auf jeden Fall mein Shoppingverhalten verändert. Ich kaufe sehr viel weniger und sehr viel zögerlicher. In zehn Jahren möchte ich auf einem Stand sein, der es mir erlaubt, relativ problemlos in eine kleinere Immobilie umzuziehen. Bis dahin ist der Sohn auch ausgezogen und dem werde ich auf jeden Fall eine Menge Zeug auf’s Auge drücken, wenn er geht 🙂