JahresRückblick 2021

Im vorletzten Jahr habe ich es nicht über mich gebracht, einen Rückblick zu schreiben. Nicht wegen Corona. In meiner persönlichen Situation war mir Corona ziemlich egal, weil mich irgendwelche Beschränkungen eh nicht betrafen. Ich wollte niemanden treffen und wegen meiner Schmerzen konnte ich auch nichts außer Haus tun, das mir grundsätzlich Freude gemacht hätte wie Kino, Schwimmen oder Zoo. Ging einfach nicht.

Das war 2021 nicht anders. Ich wäre versucht, zu behaupten, daß sich für mich in den letzten zwölf Monaten im Vergleich zu vorher überhaupt nichts verändert hat, aber das stimmt nicht, wie mir jetzt auffällt. Okay, ich habe immer noch keine neuen Schuhe, sitze noch immer Vollzeit daheim und kann nicht gehen – aber es gibt viele Zeichen dafür, daß die Dinge insgesamt besser geworden sind. Zum Beispiel habe ich 2020 etwa drei Monate (etwas mehr) komplett im Bett verbracht, weil ich so säuische Schmerzen hatte. 2021 war es weniger, insgesamt ein paar Wochen. Wenn ich es auf’s Sofa schaffe, kann ich lesen, lernen, an den Rechner, Videos gucken, malen. Das alles geht im Bett nicht. Es gab 2021 also weniger richtig üble Zeiten. Die Schmerzen sind insgesamt auch weniger geworden, wenngleich meine Füße oft steif sind und wehtun, weil die Schuhe halt zu eng sind. Der Schuhmacher und ich arbeiten dran. Ich sollte bereits neue Schuhe haben, aber er war mehrmals krank, also wird das wohl erst im Frühjahr klappen. Bisher bin ich 27 Monate ohne passende Schuhe – etwas, das sich ein normalfüßiger Mensch wohl schwerlich vorstellen kann. Ich denke, ich sehe jetzt viel klarer, was ich brauche. Ja, ich bin schwierig zu versorgen, aber es gibt auch nur wenige Menschen, die je so schwer krank waren und so deformierte Füße haben wie ich. Ich habe also letztes Jahr eine Menge darüber gelernt, wie Schuhe für mich sein müßten. Ich denke auch, beim nachfolgenden Paar, das irgendwann kommen wird, muß nochmal ein ganz neuer Leisten über einen neuen Abdruck gebaut werden, denn Füße verändern sich eben schon stark in zwei, drei Jahren ohne Gehen. Da liegt also noch eine Reise vor mir. Die Zwischenzeit, als die ich das alles noch immer empfinde, ist aber erträglicher, wenn man nicht ständig darüber nachdenkt, daß man wegen der Schmerzen lieber tot wäre. Ja, es ist also wirklich besser geworden. An manchen Tagen kann ich sogar putzen und Salat schnippeln, beim Kuchenbacken helfen oder 300 Seiten lesen. Das trägt sehr zu meiner Zufriedenheit bei, denn ich bin ein chronischer Macher. Ich liebe es einfach, wenn ich Dinge machen kann und das Gefühl habe, etwas zu schaffen.

2021 war für mich ein gutes Jahr, weil ich endlich den Mut hatte, auszusprechen, daß ich hier wegwill. Weder zu dritt noch zu viert, sondern allein mit meinem Mann. Insgesamt habe ich mehr als 13 Jahre lang versucht, diese Familie auf meinem Buckel zu tragen, aber ich kann es nicht. Und ich will jetzt auch nicht mehr. Sehr zum Schock für zwei Drittel meiner Familie habe ich gesagt: ich habe Euch nichts mehr zu geben. Ich gucke jetzt nur noch nach mir. Ich fühle mich, als hätte ich einen bösen Zauber gelöst. Und mir kommt diese ganze Fußschmerznummer immer mehr wie eine längst überfällige Konfrontation mit mir selbst vor, denn ich konnte auf einmal nicht mehr wegrennen und meine Verzweiflung und Trauer mit Tun überdecken. Hingucken und annehmen war angesagt. Dabei hatte ich nochmal ein Jahr lang Unterstüzung durch meine Therapeutin, die mit mir schon die kPTBS bearbeitet hatte. Noch Anfang des Jahres 2021 sah ich keine Zukunft für mich, hatte keine Perspektive. Das hat sich geändert. Ich tue alles dafür, damit mein Mann und ich in ein paar Jahren in unsere barrierefrei Neubauwohnung mit Terrasse und Fernblick ziehen können. Es ist kein Traum mehr, sondern ein ganz konkretes Ziel.

Die Frage, wie dieses Ziel zu erreichen sei, führte mich dann zum Frugalismus. Ich glaube, ich habe erst 2021 angefangen, meine Finanzen mit völlig anderen Augen zu betrachten, als mir klar geworden ist, daß ich niemals im Lotto gewinnen oder richtig viel Geld verdienen werde. Ich kann nur mit dem arbeiten, was de facto reinkommt. Also ist Sparsamkeit auf breiter Basis angesagt, denn nur so bleibt das Geld auch wirklich hängen. Eine Cola hier und ein Stift da wirken nicht wie große Ausgaben, aber es läppert sich. Daß wir dann im Spätsommer auch noch rausgefunden haben, daß wir über Jahre hinweg beklaut worden sind, war schon sehr bitter. So bitter, daß ich meinen ganzen Frust rausgebrüllt und Schadensersatz verlangt habe. Von einem Menschen, der mein Partner war. Das ist für mich immer noch unglaublich und der Alltag mit ihm kostet mich unendlich viel Kraft. Das Vertrauen ist komplett futsch. Seit wir getrennte Konten machen, bleibt plötzlich eine Menge mehr Geld hängen, und das zu sehen, läßt mich ahnen, wie weit er gegangen ist und daß der Schadensersatz, den wir ausgehandelt haben, wahrscheinlich nicht die gesamte Summe abdecken wird. Es bestätigt mich aber auch darin, daß ich hier fertig bin und dringend weiterziehen muß.

Im Februar habe ich angefangen, Niederländisch zu lernen. Niederländisch lernt sich recht einfach und nett, auch wenn ich kaum etwas dafür tue. Es bleibt so nebenher haften, was leider dazu führt, daß es sich anfühlt, als könnte ich nichts. Ich möchte daher in diesem Jahr ein wenig mehr NL-Stunden belegen. Isländisch habe ich auch begonnen, das mache ich so nebenbei als Onlinekurs, ohne mir Mühe zu geben. Es geht mir darum, Strukturen zu begreifen. Das funktioniert ganz gut.

Ansonsten habe ich 2021 vor allem gelesen. Dieses alte Hobby in diesem Ausmaß wieder zu betreiben, tut mir einfach gut. Und Art Journaling habe ich auch wieder angefangen. Das sind zwei schöne Zufluchtsorte für mich.

An einem Ort, wo ich es nicht erwartet hätte, habe ich sehr nette Onlinemenschen getroffen, die mir sogar einen Adventskalender geschenkt und ein Weihnachtsgeschenk gemacht haben, einfach so. Das fand ich richtig toll und ich überlege schon, wie ich mich mal revanchieren könnte.

Am Jahresende habe ich meine Therapie abgeschlossen. Auch ein langwieriges Zahnprojekt konnte ich abschließen. Lose Enden einfangen.

Alles in allem war 2021 ein viel besseres Jahr als 2020. Mein Wort für 2022 heißt „Beweglichkeit“ – und das nicht nur in körperlicher Hinsicht.

Lifebook, negative Gefühle, Behinderung

Als ich mir 2016 und 2017 den Lifebook-Kurs gebucht hatte, mußte ich beide Male schon nach wenigen Wochen abbrechen. Ich hatte mit einem relativ großen Format begonnen, und um es zu füllen, war recht viel „Arbeit“ nötig, also kurz gesagt: viel Bewegung in den Händen. Ich hatte dann jedesmal langwierige Entzündungen in den Gelenken und letztlich brach ich frustriert ab, weil es auch keine Besserung gab, als ich auf ein kleineres Format umgestellt hatte. Im Sommer jetzt habe ich beschlossen, daß ich dieser Ressource im Rahmen meiner Bemühungen, das zu benutzen, was ich bereits besitze, nochmal eine Chance gebe. Dazu habe ich das Format nochmal verkleinert und arbeite jetzt in einem DIN A6 Büchlein. Und das funktioniert endlich für mich! Ich bin jetzt beim Lifebook 2017 in Woche 15 und habe überhaupt keine Probleme mit den Händen, juhu :cheers:

Parallel dazu habe ich angefangen, mir Videos für Mixed Media Techniken bei YT anzugucken (ganz schön verführerisch, wenn man das ganze coole Material der anderen sieht, aber ich bin standfest :mrgreen:). Mir fällt auf, daß viele der gestalteten Seiten auf mich sehr oberflächlich wirken und mich daher nicht erreichen – sowas wie ein Schmetterling mit „Happy Day“ spricht mich nicht an. Solche Seiten würde ich auch nicht kreieren wollen, weil sie mir unpersönlich und langweilig erscheinen würden. Was mir mehr Freude macht, sind die thematischen Vorgaben, die ich beim Lifebook finde, auch wenn ich den Anleitungen oft nur grob oder gar nicht folge. Irgendwelche niedlichen Gesichter/Mädels zu malen, interessiert mich überhaupt nicht, weil ich mich damit auch gar nicht identifiziere. Überhaupt sind die heile Welt (oder der Wunsch danach) und der Positivismus, der aus vielen Kunstwerken in diesem Bereich spricht, etwas, zu dem ich keine Verbindung kriege. Ich bin kein Teil einer heilen Welt, in mir drin gibt es keine heile Welt. Was mich interessiert, sind die Brüche, die schwierigen Stellen, die Defekte, die von der Gesellschaft als eher negativ bewerteten Gefühle und Zustände. Ich habe mich jetzt innerhalb der bisher entstandenen Bilder getraut, meine eigene Wahrheit auszudrücken, indem ich angepißte oder enttäuschte Gesichter male, indem ich dunkle Farben verwende oder Schnipsel mit negativen statt mit positiven Worten dazuklebe („I’m so fed up with this shit“ statt „Happy Day“ etc.). Ich glaube, das entspricht nicht ganz dem happy-Konzept des Lifebooks, aber für mich ist das viel echter und wahrer. Tam, die Lifebook-Macherin, betont stets, daß für sie Kunst einen therapeutischen Effekt hat und sie sich mit Kunst positiv beeinflussen kann. Für mich entsteht dieser Effekt aber nur da, wo ich ehrlich hingucken und auch ehrlich Stellung beziehen kann. Positive Affirmationen findet mein Gehirn scheinbar total uninteressant.

Ich nehme mir jetzt also die Themenvorgaben als Inspiration und folge eher selten den tatsächlichen Anleitungen. So sind bisher ausschließlich Seiten in meinem Arbeitsbuch entstanden, die mich sehr ansprechen – tatsächlich finde ich keine einzige mißlungen, obwohl ich fest davon überzeugt bin, daß ich nicht malen/zeichnen kann. Nicht „herumfiddeln“ zu können, führt dazu, daß ich bei manchen Dingen nicht so detailreich malen kann, wie ich gern würde, aber ich lerne, das als interessanten Effekt für mich zu nutzen. Irgendwie paßt gerade alles zusammen 🙂 Außerdem verwende ich eine Menge Müll in meinen Bildern (Schokopapierchen, Verpackungsfolien, Gemüseaufkleber etc.), mit dem als Basis interessante Strukturen entstehen.

Etwas, womit ich sehr zu kämpfen habe, sind immer noch und immer wieder die ganzen Lektionen, in denen menschliche Gesichter gemalt werden. Ich bin ziemlich gesichtsblind und kann auch kaum Gestik lesen, insofern sind Gesichter mir in der Regel herzlich egal, auch so im Alltag. Andere Dinge wie z.B. Stimmen sind mir viel wichtiger, doch ich habe noch keinen Weg gefunden, Gesichter durch Darstellungen von Stimmen zu ersetzen oder so. Dazu kommt, daß meist weibliche Gesichter/Figuren gemalt werden, die dann auch oft mit verspielten Accessoirs ausgestattet werden (Blumen im Haar z.B.) – wieder etwas, das sich für mich schräg und blöd anfühlt. Das ist eine weitere Stelle, an der ich merke, daß ich kein untraumatisiertes NT-Gehirn habe.

Ich stelle einfach gerade fest, daß Kunst mit Behinderung eigentlich dasselbe wie Leben mit Behinderung ist: man sieht, was die anderen machen, wo die anderen langgehen und so, und dann muß man sich mit seinen Einschränkungen einen ganz anderen Weg suchen und eine Alternative finden, so daß das Ergebnis am Ende total anders ist, aber irgendwie mit dem der anderen verknüpft.

Norwegisch Update #1

Vor etwa fünf Monaten habe ich beschlossen, daß ich nicht mehr wöchentlich über Norwegisch bloggen werde, weil ich mein Ziel, es fließend sprechen zu können, erreicht hatte. Wie ist es danach weitergegangen?

Die wichtigste Veränderung ist, daß ich nicht mehr täglich Norwegisch mache, oft sogar nur zweimal die Woche. Bei Duolingo mache ich nur ganz selten etwas, weil ich dazu schlicht zu faul bin 🙂 Ich habe noch immer 30 Minuten mit einem Lehrer pro Woche, wo wir einfach frei miteinander über ganz unterschiedliche Themen reden: Politik, Geschichte, Brot (ja, wirklich :)), Bücher, Familie, Freizeit, fremde Kulturen etc. Auf diese Weise vermeide ich, mich auf wenige Themen zu fokussieren, sondern erhalte mein Vokabular ziemlich breit gefächert bzw. lerne immer noch was dazu. Ich habe auch noch immer den Online-Norwegischkurs einmal die Woche, wobei da das aktive Sprechen keinen so großen Raum einnimmt. Wir sind immer zwischen zehn und zwölf Leute und ich finde schon, daß ich am meisten rede, aber ich gebe mir Mühe, die Stunden nicht zu dominieren, und schweige daher bei vielen Sachen auch einfach, damit die anderen Gelegenheit haben, über die Fragen nachzudenken und zu antworten.

[Aspie-Sprech] In der Gruppensituation fällt mir derzeit sehr deutlich auf, daß ich oft schneller denke als andere, und daß ich auch weniger Manschetten habe, Dinge zu fragen und Fehler zu begehen. Die Pausen, die durch das verzögerte Denken der anderen und ihre Probleme entstehen, ihre Gedanken adäquat in Worte zu kleiden, kann ich zwar aushalten, aber ich gerate dabei schnell in dieses White Out hinein, das ich habe, wenn ich mich langweile, so daß ich dazu übergegangen bin, nebenher noch andere Dinge zu machen, meist kursbezogen. Ich schlage dann Worte nach, schreibe Vokabelkarten, formuliere nebenher in meinem Notizbuch Sätze etc. Ich merke, daß es mir heute allgemein leichter fällt als noch vor wenigen Jahren, diese Denkpausen anderer zu ertragen, wenn ich weiß, daß die Situation zeitlich begrenzt ist. Ich weiß, daß ich hyperfokussieren kann und daß ich dadurch, wenn ich einmal im Flow bin, schwerlich zu bremsen bin, daß da aber kaum jemand in diesem Tempo folgen kann – und das ist okay so. Ich selbst kann gar nicht einschätzen, ob meine Beiträge im Kurs von den anderen und von der Lehrerin als hilfreich, interessant und weiterführend betrachtet werden oder nicht. Meine derzeitige Regel lautet: wenn die Lehrerin eine Frage stellt, antworte ich immer nur mit Verzögerung und schaue erstmal, ob jemand anders reden möchte. Kann ich das nicht erkennen oder hören, rede ich. Ich finde übrigens, daß das in einem Zoom-Meeting besser zu sehen ist als in einem Klassenzimmer, weil man mehr Gesichter/Körper auf einmal checken kann, ob sich da was tut. [/Aspie-Sprech]

Neben diesen beiden wöchentlichen Terminen zum Sprechen habe ich auch noch eine norwegische Brieffreundin, mit der ich regelmäßig schreibe. Das geht mir inzwischen echt sehr leicht von der Hand und macht einfach Spaß.

Ab und an lese ich was auf Norwegisch, allerdings nicht regelmäßig. Es ist doch eher schwierig und kostspielig, an norwegische Bücher zu gelangen, so daß ich meist im Internet nach interessanten Sachen gucke. Podcasts höre ich nicht mehr. Allgemein verstehe ich den Dialekt aus Oslo und Bergen am besten. Es gibt auch Dialekte, die für mich nicht einmal mit viel gutem Willen nach Norwegisch klingen, lol 😀

Norwegisch ist für mich um vieles einfacher als Spanisch. Ich kann wirklich frei von der Leber weg auf Norwegisch plaudern, wo ich mir auf Spanisch einen abbreche oder sehr genau überlegen muß, wie ich etwas formuliere. Auch Wortneuschöpfungen und Vokabelraten sind für Norwegisch ultimativ einfach.

Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit mir 🙂

 

Use What You Have #11

In den letzten Wochen habe ich vermutlich die schlimmste Zeit mitgemacht, seit ich vor 14 Jahren aus dem Krankenhaus gekommen bin. Dreieinhalb Wochen war ich ans Bett gefesselt und das hat mich noch weiter aus meinem Alltag herausgehoben. Ich war sehr dankbar dafür, daß ich eine große Sammlung an Hörbüchern habe, und ich habe auch angefangen, eine Serie zu gucken, die bei amazon Prime verfügbar ist (Homeland). Ansonsten haben wir vermutlich bloß mit dem einen UWYH-Essen pro Woche weitergemacht. Highlights waren frittierte Reisbällchen mit scharfer Sauce, gebackene Möhren mit Falafeln und – supersimpel – Kartoffelpüree aus der Tüte mit Erbsen und Würstchen.

Seit ein paar Tagen sitze ich wieder auf dem Sofa, verknüpft mit anderen Möglichkeiten der Tagesgestaltung und leider begleitet von Panikattacken, weil ich halt nicht weiß, wann es das nächste Mal wieder so schlimm wird. Ich versuche, zu lesen, zu lernen und auch ansonsten halbwegs sinnvolle Dinge zu machen, aber das alles täuscht natürlich nicht darüber hinweg, daß meine Situation genauso weit von der Normalität entfernt ist wie mein Sofa vom Mond. Eine instabile emotionale Situation ist für mich absolut untypisch und ich fühle mich zwischen Angst, rationalen Überlegungen, Vorfreude auf Künftiges und Trauer um alles Mögliche hin- und hergerissen. Ich bin gar nicht ich selbst. Gedanken an Downsizing, Minimalismus und Co. treten nur in dem Kontext auf, in dem ich darüber nachdenke, wohin ich denn ziehen würde, wenn ich ab sofort mein Leben komplett im Rollstuhl verbringen muß – denn dann macht das Leben in einem nicht-barrierefreien Haus mit Winzbad keinen Sinn [Kandidaten dafür wären u.a. Norddeutschland Richtung Küste oder zurück ins Ruhrgebiet, da aber irgendwo an den grünen Stadtrand]. Müßte ich innerhalb der nächsten zwei Jahre umziehen, würde ich nochmal alles gründlich durchgucken und nur mitnehmen, was ich wirklich noch haben will. Mich machen diese Gedanken zwar traurig, gleichzeitig merke ich aber auch, daß sie mir eine Perspektive öffnen, die ich gerade brauche. Es geht nicht um einen konkreten Plan, sondern nur darum, mental wieder beweglich zu werden (tatsächlich verharre ich seit Monaten körperlich möglichst starr, weil jede kleinste Bewegung zum Teil höllisch schmerzt, und das führt auch zu einer starren mentalen Haltung). Und wenn das dann eben doch mein Schicksal ist, dann trifft es mich nicht so unvorbereitet. Für immer so zu verharren, ist jedenfalls keine Option. Mein Leben wäre schon um einiges besser, wenn ich mit dem Rolli alle Bereiche meines Wohnraumes erreichen und nutzen könnte und wenn es die Möglichkeit gebe, aus dem Haus zu kommen, z.B. durch einen Aufzug oder eine Rampe. Gleichzeitig hoffe ich in meinen rationalen Momenten einfach darauf, daß es eine Lösung gibt. Jeder, der schon mal einen Hexenschuß hatte oder mit dem Fuß umgeknickt ist, weiß, daß eine Dauerfehlhaltung zu einem Rattenschwanz an Folgeschäden und -schmerzen führen kann. Das trifft bei einem supersensiblen Aspie-Körper, der ohnehin behindert und unfit ist, nochmal mehr zu. Ja, und so schwanke ich dann zwischen all diesen emotionalen Höhen und Tiefen, was mich furchtbar nervt und destabilisiert, weil ich so nicht bin.

Vielleicht kann ich diese große Kacke auch nochmal irgendwann unter „Lebenslektionen“ verbuchen, die es eigentlich nicht gebraucht hätte. Ich habe schon vorher gewußt, daß das Allerwichtigste nicht Besitz, sondern Freiheit ist. Das fängt dabei an, frei zu sein, wann immer man will oder muß, auf’s Klo zu gehen, erstreckt sich aber auch darauf, das Haus verlassen zu können, wann man will, und erreicht auch Dinge wie Urlaubsreisen, Bibliotheks- und Friseurbesuche und sowas. Mit einer Behinderung zu leben, heißt für mich zwangsweise, daß ich eine Menge Zeug brauche, auf das andere verzichten können, aber letztlich sehe ich einen großen Unterschied zwischen dem, was ich wirklich brauche, und dem ganzen anderen Kram, der lediglich Luxus ist. Schuhe/Kleidung, die funktioniert, ein Bett, in dem man schlafen kann, Nahrung, die man verträgt, und ein Ort, an dem man sich waschen kann sowie ein Klo und ein paar Spielsachen für Körper und Geist – das braucht man. Der Rest ist Luxus. Jedenfalls sehe ich das so.

Norwegisch #72 und #73

Heute ist der erste Tag, an dem ich wieder auf meinem Sessel sitze und an den Rechner kann. Die letzten zehn Tage habe ich im Bett verbracht und das war für mich so ziemlich der Tiefpunkt in einer beschissenen Situation, die seit zehn Monaten andauert. Norwegisch habe ich in der Zeit gar nicht gelernt, weil ich mir gern die neuen Inhalte bei Duolingo notieren möchte, und das ging einfach nicht. Ich habe stattdessen sehr viel Schwedisch bei Duolingo gemacht, denn dafür notiere ich mir weder Sätze noch Vokabeln. Ich reiße die Lektionen einfach runter und merke mir eigentlich nur die Unterschiede, die es gibt.

Heute Abend habe ich meine erste Lehrerstunde seit zwei Wochen und ich bin gespannt, wie sie wird.

Die Essenz, die ich aus dieser Zeit ziehe, lautet: es ist zwar beschissen, wenn man sich überlegen muß, wie oft man am Tag vom Sofa aufstehen, sich in den Rolli wuchten und zum Klo kann, aber es ist noch schlimmer, wenn nicht einmal mehr das geht. Und was mich richtig nervt, ist die Dauerangst davor, daß wieder irgendein Schmerz losgeht und meine ohnehin schon auf das Nötigste reduzierte Existenz noch weiter eingeschränkt wird. Wenn ich mir dann die Leute angucke, die sich darüber beschweren, wie eingeschränkt ihr Leben seit Corona ist, könnte ich einfach nur abkotzen.

JahresRückblick 2019

Meinen Jahresrückblick teile ich normalerweise in Kategorien ein, aber irgendwie lohnt sich das für 2019 nicht. Das Jahr war einfach Scheiße und so werde ich mich auch an es erinnern.

Im Januar fiel mir 10-Kilo-Paket Kohle aus recht beachtlicher Höhe auf meinen Fuß. Das erste Mal Notaufnahme. Zum Glück nix gebrochen, aber dick und violett. Drei Wochen saß ich komplett im Rolli und konnte mich nicht mal hinstellen. Der Alltag beschränkte sich auf PC, Sofa und mehr PC. Das Haus zu verlassen, war nicht möglich. Wochenlang Schmerzmittel (ich rede hier nicht von Ibuprofen) und Eispacks. Ab Anfang Februar veränderte es sich allmählich und der Alltag kehrte ab Mitte Februar zurück.

Anfang April zog ich mir beim Schwimmen eine Schleimbeutelentzündung im Ellenbogen zu. Säuische Schmerzen und interessante Krämpfe. Zweites Mal Notaufnahme, die ich mit einer Gipsschiene verließ. Drei Wochen trug ich den Arm in Gips, konnte dann wieder nicht Autofahren oder irgendwas anderes tun als am PC zu hocken. Daß ein Ellenbogen so wehtun kann, wußte ich auch nicht. Eispacks und Schmerzmittel.

Im Mai waren wir in Paris, da ging der Ellenbogen schon leidlich besser, ich konnte ihn aber weder richtig strecken noch richtig beugen. Paris war alles in allem einfach nervtötend. Die Stadt hat sich total nachteilig verändert, wie das eben jetzt so in Europa ist.

Juni und Juli waren okay. Ich hatte immer noch Ellenbogen- und Fußschmerzen und war insgesamt in meiner Beweglichkeit und Mobilität eingeschränkter als zuvor. Im August war ich das erste Mal seit April wieder schwimmen und bezahlte zehn läppische Bahnen mit zwei entzündeten Ellenbogen. Drittes Mal Notaufnahme, Gipsschiene beidseitig. Das war so lustig, wie es klingt. Ich konnte wieder gar nichts machen außer Schmerzmittel fressen, auf dem Sofa hocken und Eispacks auflegen.

Anfang September ging es dann wieder besser. Schwimmen habe ich bis auf Weiteres abgehakt, es macht keinen Sinn. Unseren 17-tägigen Spanienurlaub haben wir abgesagt, weil einfach keine Kraft dafür da war. Wir alle sehnten uns nach Alltag.

Genau an meinem Geburtstag, also Ende September, war ich dann zum vierten Mal in der Notaufnahme, denn mein rechter Fuß hatte sich stark entzündet, übrigens ohne äußeren Anlaß. Er schwoll so stark an, daß ich nicht einmal in meinen Schuh reinpaßte. Schmerzmittel, Rollstuhl, Sofa, Eispacks. Mal wieder. Kaum ging der rechte Fuß besser, entzündete sich der Linke, hahaha. Diesmal keine Notaufnahme, sondern nur Schmerzmittel, Rollstuhl, Eispacks, Sofa. Der Orthopäde machte ein Röntgenbild, auf dem man nichts feststellen konnte, und überwies mich zum MRT – da bekam ich erst für Ende Januar einen Termin.

Ja, und nachdem der linke Fuß so allmählich besser geht, ist seit vorgestern wieder der rechte Fuß geschwollen. Also Eispacks, Sofa, Rolli. Immerhin keine Schmerzmittel. Die einzige Vermutung, die ich habe, ist, daß es an meinen Schuhen liegen könnte, denn die trage ich seit zehn Jahren unausgesetzt. Mein Schuhmacher hat es jetzt kurz vor Weihnachten endlich hinbekommen, mir ein Paar Schuhe zu bauen, das ich zumindest halbwegs tragen kann. Keine Ahnung, ob ich echt so schwer zu versorgen bin oder er es einfach nicht kann.

Vorgestern erhielt ich leider auch noch eine weitere Hiobsbotschaft: mein Auto ist kaputt. So kaputt, daß sich eine Reparatur nicht lohnt, aber natürlich haben wir erst im November 2500 € für eine andere Reparatur und TÜV reingesteckt. Paßt. Ich bin das ganze Jahr über nur sporadisch selbst gefahren, aber dennoch brauchen wir ein zweites Auto, in das auch der Rolli reinpaßt, so daß ich nun also Autohändler abklappere, um herauszukriegen, welches Fabrikat und welches Modell für mich funktionieren. Natürlich im Rollstuhl, weil ich nicht gehen kann. Und natürlich kann ich selbst auch keine Probefahrt absolvieren, sondern muß mich auf meine Einschätzung und meinen Instinkt verlassen.

Das war mein 2019. Wenn ich das damit vergleiche, wie mobil und fit ich mich vor einem Jahr fühlte, ist das schon sehr bitter. Mein Leben scheint in diesem einen Jahr echt massiv geschrumpft zu sein. Die beiden einzigen Dinge, die schön waren und sind, sind, daß ich meine Freundin gefunden  und Norwegisch zu lernen begonnen habe. Ansonsten kann man dieses Jahr komplett in die Tonne treten. Pläne oder Vorsätze habe ich für 2020 nicht, aber im Grunde wird dieses Jahr es sehr leicht haben, besser zu sein als 2019.

2019, Du warst echt ein Arschloch.

Mit dem auskommen, was man schon hat

Das hier ist Versuch Nummer 6, über ein vordergründig so einfaches Thema wie Genügsamkeit zu schreiben. Während ich aber die vorangegangenen fünf Entwürfe zu diesem Thema verfaßte, fiel mir auf, daß alle in andere Richtungen führten. Mal wurde es sehr politisch, mal eher psychologisch mit Bezug auf Autismus, dann wieder gesellschaftskritisch bis misanthropisch. Eigentlich ja sehr spannend, aber eben nicht zielführend, wenn man versucht, über Konsumkritik zu schreiben 🙂

Die Kernaussage in allen diesen Entwürfen war dieselbe: ich kenne alle meine Besitztümer, weiß bei jedem einzelnen Teil, woher ich es habe und wo es sich befindet, und ich sehe schon lange keinen Sinn mehr darin, meinen Besitz immer weiter auszudehnen. Stattdessen benutze ich gern das, was ich bereits habe, wie etwa Bücher, Stifte, Gewürze, Kleidung und Deko, um mal nur ein paar Beispiele zu nennen. Der Heimwerker und Handwerker vor dem Herrn bin ich nicht und ich mag auch Basteln nicht besonders, weswegen ich in der Regel nichts upcycle – oder nur da, wo es superoffensichtlich ist, was man mit einem Ding anstellen kann. Unbenutzte Dinge sortiere ich regelmäßig aus, allerdings ist für mich nicht relevant, ob Sachen nun Joy sparken oder nicht, weil ich es ganz lakonisch sehe: manche Dinge benutze ich einfach ihrem Zweck gemäß, und ein grüner Schneebesen schlägt Saucen genauso gut wie ein silberner und der Sauce ist seine Farbe egal – und mir auch, solange er nur seinen Job tut.

Dinge zu kaufen und sie dann nicht zu benutzen, löst in mir ein ungutes Gefühl aus, fast so, als würden sie einen milden Vorwurf aussenden. Mir ist natürlich klar, daß das aus mit selbst kommt und in meiner Erziehung verankert ist. In meiner Kindheit habe ich keine Armut erlebt (später aber schon), doch trotzdem wurde ich zu Sparsamkeit und Genügsamkeit erzogen. Ich hatte weder ganze Schränke voller Klamotten noch mehr als fünf Spiele und habe es wirklich überlebt 🙂 Tatsächlich glaube ich, daß mir diese Erziehung heute noch immer zugute kommt, und zwar nicht nur in Hinblick auf das Geld, das ich nicht ausgebe, sondern auch durch das Kultivieren des Gefühls von Fülle und Dankbarkeit.

Ja, ich glaube, das lasse ich jetzt mal so stehen, denn ich merke, daß ich gedanklich schon wieder viel weiter bin als meine Finger 🙂

Noch kurz ein paar Stichpunkte/Gedanken zu diesem Thema in der Praxis:

  • bevor ich neue (Lehr)Bücher kaufe, erstmal gucken, was ich schon habe – Sprachenlernen ist mein Spezialgebiet und da bin ich immer eher bereit, Geld auszugeben als in anderen Gebieten. Dennoch habe ich eine Unzahl an Grammatik- und Übungsbüchern, auch für Sprachen, die ich aktuell nicht lerne. Auch sind Bibliotheken sehr hilfreich!
  • Blöcke, Stifte und anderer Bürokram ist für mich ebenfalls verlockend, so daß ich mich darum bemühe, auch hier Sachen aufzubrauchen. Eine hübsche Kladde geht nicht in Rauch auf, weil auf ein paar Seiten Russischnotizen sind und da jetzt Norwegisch rein soll 🙂 Nachfüllpackungen und -minen sind obligat. Wichtig: nur Material kaufen, das man auch wirklich mag und daher tatsächlich benutzt.
  • regelmäßige Checks des Vorratsschranks helfen dabei, Lebensmittel rechtzeitig zu verbrauchen. Ein paar Reste-Rezepte in petto zu haben, ist dabei sehr nützlich. Nicht vom Rezept zu den Zutaten denken, sondern von den vorhandenen Zutaten zum Rezept.
  • nicht alle Dinge werden zu jeder Zeit gleichviel geliebt oder benutzt. Manchmal hilft ein wenig Abstand, damit man wieder an einer Sache Interesse entwickelt. Nach zwei bis fünf Jahren verabschiede ich mich allerdings von Dingen, es sei denn, mein Herz hängt wirklich sehr an ihnen (ich würde z.B. niemals Spielzeug aus meiner Kindheit weggeben, das ich seit 30 Jahren hüte und liebe).
  • manchmal braucht man neue Impulse (Videos, Bücher, Gespräche), um etwas, das man schon besitzt, in neuem Licht zu sehen oder ihm neue Verwendungszwecke zuzuordnen.
  • bevor ich ein neues Hobby starte, gucke ich immer erstmal, ob mir ein altes Hobby nicht doch noch wieder zusagt. Wenn es das Neue sein soll, schaue ich, ob ich dafür evtl. schon Material habe.
  • lose Enden einfangen! Meist hat man ja doch ein paar Projekte auf Halde liegen, für „später mal“. Warum nicht für jetzt?
  • Teilen macht Freude. Bücher (außer Sprachlernkram und absolute Lieblingsbücher) halte ich nicht mehr fest, sondern setze sie in den Bücherschrank. Manchmal lohnt sich auch der Verkauf. So werden Ressourcen für andere Bücher frei. Funktioniert auch für andere Dinge.
  • wichtig: sich trauen, Dinge tatsächlich zu benutzen, und sie nicht für ewig aufheben. Was weg ist, ist eben weg.
  • Ordnungssysteme helfen, die Übersicht zu bewahren. Ich selbst hake auch gern To-Do-Listen ab.
  • wenn neue Abos (wie z.B. Lernhilfe-Podcasts oder so), dann erstmal die bereits abonnierten durchgucken, ob man davon alle behalten will. Gilt insbesondere für alles, was kostenpflichtig ist!

Kann man mit Programm XY eine Sprache lernen?

In den Duolingo-Foren kommt in regelmäßigen Abständen die Frage auf, ob man mit dem Programm tatsächlich eine Sprache lernen kann. Oft erhalten die Fragesteller die Antwort „nein, das ist mit Duolingo nicht möglich – hier kannst Du, wenn überhaupt, gerade mal Niveau A2 erreichen und das heißt nicht, daß Du Deine Zielsprache tatsächlich beherrschst“.

Mich machte das etwas nachdenklich, denn mir wurde auch schon öfter die Frage gestellt, ob man mit Babbel oder Duolingo bzw. ob man mit diesem und jenem Buch/Programm/Kurs eine Sprache lernen kann. Was genau bedeutet die Frage denn? Natürlich kann man mit einem Programm oder einem Buch, welches die Grammatik und den Grundwortschatz enthält, eine Sprache bis zu einem gewissen Niveau lernen, ja. Aber kein Programm und kein Buch kann das tatsächliche Sprechen im Austausch mit einem Muttersprachler simulieren oder ersetzen. Sprachen lernt man eben nur durch das Sprechen, das Anwenden. Mich irritiert, daß scheinbar vorausgesetzt wird, daß man lediglich Programm/Buch XY durcharbeiten muß, um eine Sprache fließend zu sprechen. Niemand würde denken, daß man Autofahren lernt, bloß weil man ein Buch über das Fahren liest.

Darum finde ich die Kritik, die teilweise an Duolingo oder Babbel oder anderen Programmen/Büchern/Kursen geübt wird (im Sinne von „zum Lernen einer Sprache total ungeeignet“ oder „absolut nicht hilfreich“) etwas seltsam. Jedem Lernenden steht es doch frei, die zur Verfügung stehenden Ressourcen voll auszunutzen, wobei mir natürlich klar ist, daß es für manche Sprachen mehr Material gibt als für andere. Spanisch habe ich nicht allein mit Babbel gelernt, weil es da für mich Lücken gab, die mir nicht gefielen (beispielsweise wurden in Babbel nur einige wenige im Indefinido unregelmäßige Verben gelehrt, so daß ich mir diese mit einem Buch aneignete).

Vielleicht steckt hinter so einer Kritik ja auch der Wunsch, ein einziges Programm möge einem eine Sprache ins Hirn impfen, damit man sagen kann, daß man sie beherrscht – artet das Ganze in Arbeit aus, ist es hingegen lästig. Aber dann würde ich mich fragen, was die Motivation hinter dem Lernen ist. Es ist ja erwiesen, daß das, was wir nicht brauchen und nicht nutzen, in die Rumpelkammer des Gehirns verbannt wird und dann nicht mehr im aktiven Zugriff steht, und die Motivation „ich will eine Sprache sprechen, weil es einfach cool ist“ reicht meiner Meinung nach nicht aus, um den für die meisten Leute drögen Teil (Grammatik und Vokabeln) wirklich zu verankern. Außerdem fehlt dabei auch eine echte Motivation, die das Gehirn dazu anregt, Dinge dauerhaft zu speichern und mit ihnen zu spielen (damit meine ich, Gelerntes umbauen und selbst weiterentwickeln zu können).

Alles in allem würde ich sagen, daß jedes Programm und jedes Buch, welches die korrekte Grammatik und einen gewissen Grundwortschatz enthält, dazu geeignet ist, eine Sprache zu lernen. Doch nichts kann persönliches Engagement und natürlich die Liebe zu bzw. die Leidenschaft für eine Sprache ersetzen. Und diese Dinge sind ganz essentiell, wenn man eine Sprache lernen möchte.

Lernen organisieren

Im Moment lerne ich zwei Sprachen aktiv und bin dabei, mir eine Dritte zu erhalten bzw. noch weiter aufzubauen. Dafür braucht man Materialien. Und da ich ein Papiertiger bin und nicht so supergern Onlinematerialien verwende, habe ich entsprechend viele Lehrbücher, Arbeitshefte, Notizbücher, lose Zettel und Karteikarten. Vorteil dieser analogen Medien ist für mich, daß ich sie immer mitnehmen kann und auch immer Zugriff auf sie habe (kein Netz schockt mich nicht^^).

In die Notizbücher und -hefte kommen Gesprächsnotizen (Skype), Unterrichtsnotizen (VHS) und Mitschriften von Lektionen (Babbel, Duolingo und YouTube). Ich habe diese Dinge für Spanisch immer auf Karteikarten geschrieben und sie wie Vokabeln gelernt. Für Norwegisch und Französisch bin ich ein bißchen von den Vokabelkarten abgekommen, weil ich wissen wollte, ob das nicht auch mit Notizbüchern geht. Das Ergebnis lautet: geht so. Tatsächlich lerne ich mit Vokabelkarten mehr und besser, dehne aber das Experiment noch ein wenig aus, weil es ja sein könnte, daß das alles nur eine Frage der Routine ist. Mein Gehirn liebt Routinen.

Bei den Notizbüchern bin ich ziemlich pingelig, weil mir viele Formate einfach nicht behagen (Moleskine finde ich immer zu lang und schmal zum Beispiel) und ich auch nicht jedes Papier mag. Ich brauchte eine Weile, um zu den Notizbüchern zu finden, die ich heute gern verwende (falls es jemanden interessiert: die von Leuchtturm und immer blanco, weil Linien und Kästchen und Pünktchen immer zu winzig für meine Schrift sind und es mich sehr stört, wenn ich mich anpassen „muß“, damit die Schrift in die Lineatur reinpaßt). Die richtigen Stifte zu finden, war auch nicht so einfach. Ich mag keine Kugelschreiber, ich schreibe nicht gern mit Bleistift und viele Tintenliner sind mir zu dünn und haptisch und vom Tintenfluß her nicht schön. Mir ist übrigens klar, daß das sehr autistische Probleme sind, aber sie existieren halt. Ich glaube, Künstler kennen das auch, daß nicht jedes Material funktioniert. Jedenfalls verwende ich inzwischen die Tintenschreiber von Pentel, für die es auch Nachfüllminen gibt, in den Farben Schwarz, Violett, Dunkelblau, Türkis und Rot. Die Farben haben keine eigene Bedeutung. Mir gefällt es einfach, daß nicht alles in uni gehalten ist. Nur das Rot verwende ich, um mir wichtige Dinge und Wendungen anzukringeln. Und zwar sparsam, weil es mir sinnlos erscheint, alles anzukringeln (da kommen Traumata aus der Unizeit bei Gruppenarbeit hoch, lol).

Vokabelkarten an sich bündele ich mit Gummibändern und packe sie in ausrangierte Keksdosen. Für Spanisch habe ich inzwischen mehrere solche Dosen, weswegen ich welche für Worte und Wendungen nehme, die perfekt sitzen, und eine andere für alles, was ich noch lernen könnte/sollte. Die Spanisch-muß-noch-Keksdose steht am Arbeitsplatz immer neben mir, damit ich gleich loslegen könnte, wenn ich wollte. Die paar Vokabelkarten, die ich für Norwegisch und Französisch angelegt habe, liegen in einer Schublade. Eigentlich rühre ich sie nie an. Ich könnte sie eigentlich mal in ihre Keksdosen einsortieren.

Die losen Zettel hasse ich von ganzem Herzen. Wann immer es möglich ist, lege, hefte oder klebe ich sie in meine Notizbücher, aber es ist schon sehr häßlich, wenn man Din A 4 Zettel in ein Notizbuch einpflegen will, das nicht einmal Din A 5 groß ist. Ich könnte natürlich alles nochmal abtippen oder in Winzschrift ausdrucken, aber das wäre für mich eine zu große Barriere. Außerdem stört es mich, wenn zig lose Zettel Seiten im Notizbuch verbrauchen. Alle Lösungen, die ich da bisher genutzt habe, finde ich nicht wirklich optimal, daher hilft nur, lose Zettel wann immer möglich zu vermeiden. Lose Zettel haben aber auch einen Vorteil: ich kann sie mir nämlich ins Bad hängen. Ich hänge mir Lernkram gern ins Bad, denn erfahrungsgemäß bin ich ja doch ein paarmal am Tag dort drin und mein Blick fällt dann automatisch auf die Sachen, die ich noch lernen will. Wenn es dann im Gehirn angekommen ist, nehme ich die Zettel von den Kacheln und…. hasse sie im Anschluß 😉

Eine große Barriere beim Lernen stellt es für mich dar, wenn das Material nicht im direkten Zugriff ist. Ich habe meist meine Katze auf meinen Beinen liegen und wenn ich dann immer erst für jedes Buch die Katze entfernen, die Decke wegknuddeln, Schuhe anziehen und zum Schrank gehen müßte, würde ich das Material schlicht nicht nutzen. Dinge, die ich aktuell nicht brauche, landen halt in meinem Schrank, aber aktueller Lernstoff muß direkt an meinem Platz liegen. Ich habe mir das nun so organisiert, daß ich drei Stapel habe: Norwegisch, Spanisch und Französisch. Auf den Stapeln liegen Lehr- und Arbeitsbücher und auch meine Notizen. Die Höhe der Stapel variiert. Derzeit ist mein Norwegisch-Stapel sehr hoch, der Französisch-Stapel so mittel und der Spanisch-Stapel sehr niedrig. In meiner Familie käme niemand auf die Idee, freiwillig aufzuräumen meinen Arbeitsplatz umzuräumen, darum funktioniert das System störungsfrei.

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