Türkisch lernen

Weil ich dieses Wochenende mit den Spanischkursen bei Babbel fertig geworden bin, habe ich in diverse andere Sprachkurse reingeschnuppert. Überraschenderweise hat mich dabei besonders Türkisch angesprochen – und da ich eigentlich schon immer ein bißchen Türkisch lernen wollte, habe ich jetzt damit angefangen.

Hosça kal!

(meine Sonderzeichen geben das richtige s nicht her 🙁 ).

WochenendRückblick #50

[Wetter] Samstag war es bis zum frühen Nachmittag richtig schön, dann zog es sich zu und regnete später auch. Sonntag hatten wir goldenes Herbstwetter.

[Gemacht] Mich hat die Rüsselpest erwischt und entsprechend matschig fühle ich mich auch. Samstag waren wir einkaufen und danach habe ich erstmal eine Runde geschlafen, während ich mir den Herrn der Ringe auf Spanisch habe vorlesen lassen. Später haben der Mann und ich gekocht, dann haben wir einen Videoabend mit Kind gemacht. War sehr nett 🙂

Sonntag nach dem Frühstück habe ich erstmal eine Stunde Spanisch gelernt, dann mit dem Mann einen Apfelkuchen gemacht (steht auf unserer Herbst-Bucket-List). Als der im Ofen war, habe ich weiter Spanisch gelernt, später dann mein Bad geputzt, incl. Wanne. Abends haben wir gemeinsam gekocht und waren dann noch beim Bücherschrank.

[Español] Bei Babbel mache ich gerade den ersten Aufbaukurs und bin davon ein bißchen enttäuscht. Zwar sind die Übungen jetzt endlich mal interessanter und man wird auch zum ersten Mal dazu angehalten, eigene Texte zu verfassen, aber irgendwie gibt es inhaltlich nicht allzu viel her. In den Anfängerkursen wurden ja viele Dinge nur kurz angerissen, aber nicht vertieft, was für mich schon immer ein Kritikpunkt war. Ich hatte z.B. beim Indefinido das Gefühl, blind belassen zu werden, was mich so genervt hat, daß ich mich selbst in das Thema eingearbeitet hatte (dafür hatte ich auch einige Monate Babbel-Pause gemacht). Nun greift Babbel das Thema wieder auf und füttert einem häppchenweise einzelne unregelmäßige Indefinido-Verbformen. Das nervt mich schon sehr. Ich kann nicht beurteilen, wie andere Lerntypen damit zurechtkommen, aber für mich ist das sehr unübersichtlich und zäh (aber ich bin auch im Autismusspektrum unterwegs und mag es daher strukturiert und übersichtlich).

Abgesehen davon habe ich viele Videos von einem Ehepaar geguckt, die den YT-Kanal „Why Not Spanish“ betreiben. Sie ist Nativespeakerin aus Columbien und er US-Amerikaner, der schon einige Versuche, Spanisch zu lernen, hinter sich hat – ohne Erfolg. Nun versucht sie, ihm endlich Spanisch beizubringen. Ihre Methoden finde ich unterhaltsam und oft auch lustig. Ihre Videos findet man hier.

Last but not least habe ich meine Spanisch-Hausaufgabe gemacht, die ich ja schon gepostet habe.

[Garten] Ich habe noch eine Fuhre Thai-Chilis geerntet. Ein paar sind noch am Strauch.

[Gesportelt] Pause wegen Erkältung.

[Gehört] El señor de los anillos. Young Sherlock Holmes.

[Gelesen] In der ECOS.

[Gesehen] Power Rangers.

[Gegessen] Abgesehen von den Plansachen: superfrische Datteln. So frisch, daß der Großteil der Früchte noch gelb ist und erstmal im Kühlschrank nachreifen muß. Gott, die sind so lecker…!

[Gekauft] Nur den Wocheneinkauf.

[Ausblick auf die nächste Woche] Mit dem Feiertag wird das eine kurze Woche. Ich werde ins Kino und zur Therapie gehen und vermutlich erkältet sein.

Mein Camino #8

Gut ausgeruht und nach einem leckeren Frühstück im Hospedaje haben wir uns am folgenden Morgen auf den Weg zum Mercado de Abastos gemacht, der in direkter Nähe zur Unterkunft lag. In den traditionellen, langgestreckten Markthallen bekommt man alles, was das Herz begehrt: Gemüse, Blumen, Fleisch- und Wurstwaren, Brot und Gebäck, Tee, Gewürze, Kaffee, fangfrischen Fisch und Meeresfrüchte und anderes.

Marktstand. In der Box mit dem Kreuz vorne links befindet sich ein „Jakobskuchen“, also ein Kuchen aus Rührteig, der dick mit Puderzucker bestäubt wird

Wir schlenderten durch die Marktreihen und bewunderten die Auswahl. Als Wegzehrung nahmen wir uns ein frisches Brot und die dicksten Kirschen mit, die ich je gesehen habe. Zusammen mit dem Gemüse, das wir noch hatten, waren wir damit bestens versorgt 🙂

Ponte Maceira

Unser erster Halt nach Santiago war die Ponte Maceira, die den Fluß Tambre überspannt. Sie wurde im 13. Jahrhundert auf den Fundamenten einer römischen Brücke erbaut und ist für die Fußpilger, die bis nach Fisterra gehen, ein obligater Wegpunkt.

der Leuchtturm am Ende der Welt

Bis nach Fisterrra sind es von Santiago aus etwa 85 km, und als wir dort eintrafen, knallte die Sonne vom strahlendblauen Himmel. Mein Mann und ich trennten uns, denn er wollte gern an den für mich unzugänglichen Stufen in den Felsen photographieren. Ich blieb im oberen, barrierefreien Gebiet und setzte mich, nachdem ich ein paar Photos geschossen hatte, in das Café, genoß die Aussicht auf das Meer und die Sonne.

der allerletzte Meilenstein auf dem Jakobsweg: Kilometer 0,0

Wie sich etwas später herausstellte, waren wir gerade zur richtigen Zeit in Fisterra angekommen, denn als wir mit unserer Runde durch die Andenkenbuden fertig waren, wurden Touristen in riesigen Bussen angekarrt. Wir zogen uns also ins Auto zurück und aßen eine Kleinigkeit.

Dolmen de Dombate

Unsere nächste Station war der Dolmen von Dombate. Vor ein paar Jahren wurde eine aufwendige Halle rund um den Dolmen errichtet, um diesen vor Plünderei zu schützen. Den Dolmen und das dazugehörige archäologische Zentrum kann man kostenlos besichtigen, allerdings finden sich auf den Tafeln Erklärungen nur in Spanisch und Gallego.

Horreo

Bei dieser Gelegenheit fragte ich den Museumswächter nach den Kornspeichern, die so typisch für Galizien sind und die sich praktisch überall finden. Er erklärte mir, daß diese „Horreos“ heißen und daß in ihnen nicht nur Korn, sondern auch Mais aufbewahrt wird. Außerdem fragte ich ihn noch danach, wie man auf Gallego den Buchstaben X ausspricht, denn dieser begegnet einem in Gallego soviel öfter als in Castellano.

Torre de Hercules

Schließlich machten wir uns auf den Weg nach A Coruña, unserem Tagesziel. Leider war es nicht so einfach, ins Hotel einzuchecken. Wie so oft nach der Einsamkeit und Stille auf dem Weg waren wir von der wuseligen Stadt etwas überwältigt, und zudem sollte in unmittelbarer Nähe zum Hotel an diesem Nachmittag ein Fußballspiel stattfinden. Unzählige Autos und Fußgänger waren unterwegs und dann sperrte die Polizei noch ganze Straßenzüge ab… Nun ja, am Ende hat doch alles geklappt und nach einer kurzen Pause in unserem schönen, modernen Hotel direkt am Meer beschlossen wir, zum Campo de la Rata zu fahren.

Menhires por la paz

Das ganze weitläufige Gebiet ist wie ein Park angelegt und befindet sich direkt am Meer. Während also die Sonne schien und ein schöner Wind ging, strolchten wir durch diesen riesigen Park , in dem auch der Torre de Hercules steht, der älteste sich noch in Betrieb befindliche Leuchtturm der Welt. Wir fanden auch bald die Menhires por la paz – übermannsgroße Menhire, die 2001 durch den Künstler Isaac Diáz Pardo in Gedenken an die Opfer des Franco-Regimes errichtet wurden.

la Caracola

Zuletzt kamen wir auch an der Caracola vorbei, einer Art riesigem Nebelhorn in Form einer Meeresschnecke.  Wir beschlossen den Abend in der wuseligen Altstadt bei Pulpo und Patatas Fritas und letztlich am Meer, wo die Sonne blutrot im Atlantik versank.

Mein Camino #7

Obwohl die Nacht in Ponferrada auch nicht länger als fünf Stunden war, starteten wir am nächsten Tag recht entspannt. Unterwegs frühstückten wir auf einem Parkplatz mit spektakulärer Aussicht über die galizischen Berge: Baguette, gekochten Ibérico-Schinken (der ganz anders schmeckt als der rohe) und veganen Streich. Unsere erste Etappe führte uns über die Autobahn nach O Cebreiro, einem Bergdorf, das ganz aus grauem Schiefer erbaut ist, und wo man auch welche der traditionellen galizischen Rundhäuser bewundern kann.

Rundhaus in O Cebreiro

Hinter O Cebreiro sahen wir und am Alto San Roque die berühmte Statue eines Pilgers an, der sich gegen Wind und Wetter zu stemmen scheint.

Alto San Roque

Die Landschaft, die nur allmählich wieder abfällt, erinnerte meinen Mann und mich stark an den Schwarzwald, so daß, als wir kurz vor Sarria eine kleine Rast einlegten, fast schon Heimatgefühle aufkamen. Unser nächstes Ziel war Portomarín. Das eigentliche Städtchen wurde zugunsten eines Stausees aus einem Tal an die Bergflanke verlegt – und dabei wurde sogar die Kirche Stein für Stein ab- und später wieder aufgebaut. Der Ort ist malerisch, doch wir entschieden uns nur für die Besichtigung vom Auto aus. Überhaupt war es uns gar nicht möglich, auch nur ansatzweise alle Kultur- und Besichtigungsangebote wahrnehmen zu können. Würde man das wollen, könnte man Jahre auf dem Camino Francés zubringen.

Ausblick über Portomarín

Auf unserem Weg Richtung Santiago sahen wir das Ortsschild nach Vilar de Donas. Von diesem ehem. Nonnenkloster hatte ich in einem Buch gelesen. Da es ein wenig abseits des Camino liegt, kommen hier nur sehr wenige Fußpilger hin, und so hatten wir das Kloster samt der spanischsprachigen Wächterin für uns. Die Dame war so nett, mir einen Sello in mein Tagebuch zu drucken, und sie und ich hatten eine Unterhaltung über das Pilger, die mich berührt und nachdenklich gemacht hat. Sie merkte nämlich, daß ich niedergeschlagen war, und ich erzählte ihr, daß ich mich so fühle, als würde ich „nicht richtig“ pilgern, weil ich eben nicht zu Fuß gehen kann. Daraufhin baute sie mich fürsorglich wieder auf und meinte zum Schluß lapidar, daß, hätten die „Erfinder“ des Pilgerns schon Autos gehabt, sie sicher auch mit dem Auto gefahren wären, wenn sie zu Fuß keine Chance gehabt hätten. Das Gespräch mit der Señora hat mir unheimlich gut getan und ich blickte ein wenig versöhnlicher in die Welt.

das ehem. Kloster in Vilar de Donas

Über Arzúa und den Monte do Gozo kamen wir schließlich nach Santiago und waren mal wieder nach dem Tag in Einsamkeit und Stille (ja, wir fahren ohne Radio und meist auch ohne viel zu quatschen) ganz schön überrumpelt von dem ganzen Trubel. Zunächst mal mußten wir einkaufen. Die anschließende Hotelsuche gestaltete sich trotz Navi wirklich schwierig, denn es stellte sich heraus, daß wir absolut treffsicher gerade in dem Teil der Altstadt unser Quartier gebucht hatten, in den man nicht mit dem Auto einfahren durfte. Zum Glück fanden wir aber einen Behindertenparkplatz in relativer Nähe zum Hospedaje und wurden dort unheimlich herzlich empfangen. Wir hatten sehr schöne, moderne Zimmer mit bequemen Betten – was kann man sich mehr wünschen?

in den Straßen von Santiago

Nachdem wir uns kurz frisch gemacht hatten, machten wir uns auf die Socken. Auf einem der Plätze der Stadt hatte eine Buchhandlung anläßlich der galizischen Literaturtage einen Aktionstisch aufgebaut und dort habe ich mir mehrere Bücher über interessante Reiserouten durch Galizien gekauft, auch das Buch „50 lugares mágicos de Galicia“. Ich hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, mir eine mehrbändige galizische Grammatik zu kaufen, ließ es aber bleiben, was ich bis heute bereue 🙁

die Hinterseite der Kathedrale

Obwohl man meinen sollte, daß alles in Santiago zur Kathedrale strömt und diese daher leicht zu finden sein sollte, war dem nicht so. Tatsächlich mußten wir mehrmals nach dem Weg fragen, bis wir sie endlich fanden. Durch einen nicht barrierefreien Eingang ging es hinein. Ich fühlte mich einfach schrecklich: nicht nur, daß ich nicht auf dem Platz vor der Kathedrale angelangt war, sondern sie durch den Hintereingang betrat, ich war mit meinem Rollstuhl allen im Weg. Das war auch der Moment, wo ich dachte: was in aller Welt tue ich hier? Um mich herum waren lauter genervte Menschen und von den christlichen Tugenden war absolut nichts zu spüren, während sie darauf warten mußten, daß ich die Treppen herunterkam, während mein Mann den schweren Rollstuhl nach unten bugsierte. Ätzend war’s.

Teile der Fassade waren in Gerüsten eingepackt

Endlich unten angekommen, sahen wir uns in der Kathedrale um. Sie war gesteckt voll, da bald ein Gottesdienst beginnen sollte, und daher habe ich persönlich auch nur den einen Teil (nämlich den mit dem Apostel darin) angucken können. Ich fühlte mich hundeelend und wäre am liebsten geflohen, aber das verbat sich eigentlich – nachdem ich so viele Jahre hatte warten müssen, um endlich hier zu sein – von selbst! Ich stellte mich also mit Rollstuhl in die Schlange derer, die die Stufen zum Apostel erklimmen wollten. Da ich nicht lange auf einer Treppe stehen kann, mußte ich warten, bis diese vor mir frei war. Was die Leute hinter mir schier in den Wahnsinn trieb. Nicht, daß sie ohne mich schneller zum Apostel gekommen wären, aber allein das Gefühl, warten zu müssen, während die Treppe frei war und nur so ein Dummbeutel im Rollstuhl den Zugang blockiert, schien für sie kaum auszuhalten. Am Ende erklomm ich die Treppen recht zügig und legtem dem Apostel meine Hände auf die Schultern.

das Ziel aller Pilger: der Apostel Jakob

Und in dem Moment brach alles aus mir heraus: der Frust darüber, den Weg nicht gegangen zu sein, der Frust über die Behinderung allgemein, der Frust über alles, was nie wieder sein wird. Ich habe geheult wie ein Schloßhund. Da ich normalerweise nicht zu emotionalen Ausbrüchen oder Heulen neige, hat mich das ganz schön mitgenommen, und mit wackligen Beinen stieg ich die Treppen auf der anderen Seite wieder hinab, wo mein Mann mit dem Rolli wartete. Leider bekam er nicht wirklich mit, wie es mir ging, weil er von den Leuten so genervt war. Wir einigten uns darauf, daß ich in den Kathedralenshop gehen und shoppen würde, während er schon mal das Pilgerbüro suchen sollte. Ich hatte gelesen, daß jedem, der die Kathedrale besucht, die Besuchscompostela zustünde, die nicht mit der normalen Compostela, die den Pilgern vorbehalten ist, verwechselt werden darf. Beim Shopping bekrabbelte ich mich einigermaßen und deckte mich mit lauter kitschigem Krempel ein: Compostela-Tassen, ein Medaillon mit dem Apostel darin, ein Armband, ein Lesezeichen und anderes.

das galizische Nationalgericht – Pulpo, also Tintenfisch – bekommt man praktisch überall

Als ich meinen Mann auf dem Platz seitlich der Kathedrale (übrigens durch den Shop doch barrierefrei erreichbar) wiedertraf, war er noch genauso genervt wie vorher. Das Pilgerbüro war nicht auffindbar gewesen. Also gurkten wir quer durch die Altstadt, aber wirklich niemand wußte, wo das verflixte Pilgerbüro war. Das war echt verhext! Am Ende quatschten wir eine junge Frau auf Englisch an, die wußte, wo das Büro war, und die uns auch noch ein großes Stück begleitete. Auf dem Weg stellte sich dann heraus, daß sie selbst auch Deutsche war und gar nicht weit von uns entfernt wohnt 🙂 Als wir endlich da waren, fühlte ich mich immer noch elend. Eine Besuchscompostela, naja, besser als nichts, aber nicht das, wofür ich gekommen war. Als ich an der Reihe war, fragte mich die Mitarbeiterin nach meinem Pilgerpaß, den ich natürlich nicht hatte. Ich stöpselte mir auf wildem Spanisch etwas zurecht, das sie scheinbar nicht so ganz verstand, denn sie holte eine englischsprechende Kollegin. Der schilderte ich meine Reise, dann holten sie noch einen anderen Kollegen dazu. Am Ende drückte man mir ein Verzeichnis in die Hand, in das ich eintragen sollte, wie ich heiße, woher ich komme und wo ich zu pilgern begonnen habe. Wahrheitsgemäß trug ich St. Jean ein. Die Pilgerbürofrau guckte kurz drüber, nickte dann, gab das alles an die Kollegin weiter, ich mußte einen Moment warten und dann bekam ich meine Compostela in die Hand gedrückt. Als ich ungläubig auf das Formular guckte, grinste die Mitarbeiterin und erklärte mir, daß Rollstuhlfahrern das Privileg der Compostela zugebilligt wird, wenn sie aus eigener Kraft einen einzigen Kilometer auf dem Jakobsweg zurücklegen. Da ist mir dann wirklich die Kinnlade runtergefallen.

in Galizien gibt es in den Innenstädten viele Arkaden, unter die sich die Menschen bei plötzlichen Regenbrüchen flüchten können

Nachdem ich noch schnell eine Transporthülle für das Dokument gekauft hatte, bin ich erstmal auf dem Klo verschwunden, um noch eine Runde hemmungslos zu heulen. Ich hätte mit allem gerechnet. Und ich hätte damit leben können, abgewiesen und nicht wie ein Pilger behandelt zu werden. Aber damit, angenommen zu werden und zu erleben, daß meine Pilgerschaft nicht als minderwertig angesehen wird, mußte ich erstmal klarkommen. Für mich hat sich an der Stelle mein ganz persönliches Pilgerwunder ereignet. Später feierten wir die Ankunft in Santiago mit einem fabelhaften Essen in einem sehr schönen Restaurant in der Altstadt. Was für ein Triumph das für mich war!

Mein Camino #6

Die Nacht in Castrojeriz war aufgrund der Nachtvögel und der schnarchenden Fußpilger nicht so erholsam wie andere Nächte, so daß ich ein wenig verspannt und müde in den Tag startete. Wenn man den Camino zu Fuß geht, muß man kurz vor Castrojeriz unter den Bögen der Klosterruine San Anton hindurch. Da wir nun aus der entgegengesetzten Richtung kamen, mußten wir erstmal dorthin fahren, um Bilder zu machen.

Klosterruine San Anton bei Castrojeriz

Nach Frómista sind wir dann quer durch die Meseta über endlos geradeaus führende Straßen gefahren – bei Dauerregen und Gewitter. Vom Elsaß hier in unserer Nähe sind wir ja schon lange gerade Strecken gewohnt, aber das war nochmal ganz anders. In Frómista hat mein Mann die Kirche San Martin mit ihren 300 Fabelfiguren photographiert, während ich Brot und Obst eingekauft habe. An diesem Tag merkte ich, daß mein Spanisch sich schlagartig verbessert hatte. Ich bin natürlich noch weit von fließend entfernt, aber ich wurde einfacher verstanden und verstand auch mehr von den Antworten.

mal eben schnell im Vorbeigehen geknipst: die Kirche in Frómista, auf dem Weg zur panadería

Nachdem wir im Auto gefrühstückt hatten, fuhren wir über diverse kleine Orte bis nach Carrión de los Condes. Hier hätte ich per se gern im Parador von San Zoilo übernachtet, aber das Hotel war neun Monate im Voraus ausgebucht. Die Türen zum Kloster waren noch geschlossen, also blieben wir zehn Minuten im Auto sitzen, bis sie sich öffneten. Nachdem wir den Rollstuhl und mich über die Schwellen bugsiert hatten, standen wir allerdings wieder vor verschlossenen Türen. Es gab lediglich eine Klingel, die man benutzen sollte, um einen Sello, also einen Stempel in den Pilgerpaß zu bekommen. Ich schellte probehalber und eine nette Señora öffnete uns. Ich fragte, ob das Kloster geschlossen sei, doch sie sagte, es sei geöffnet, und sperrte die Flügeltür auf, so daß ich direkt mit dem Rolli durchfahren konnte.

zu Fuß zu pilgern war an diesem Tag sicher auch kein reines Vergnügen…

Der Eintritt kostete 2 € und dafür konnte man die Kirche und den herrlichen sowie absolut nicht barrierefreien Kreuzgang besichtigen. Dieser war so uneben, daß ich nur einen kurzen Blick hineinwarf, weil ich Angst hatte, auf der Buckelpiste umzuschlagen.

Kreuzgang im Kloster San Zoilo

Im Anschluß fuhren wir weiter nach León. Das Wetter hatte sich inzwischen aufgeklart und die Sonne brutzelte vom wolkenlosen Himmel. Die Altstadt wird überragt von der herrlichen Kathedrale, doch leider waren wir gerade zur Siesta dort angekommen, wo das Gotteshaus geputzt und gesaugt wird. Also keine Besichtigung. Stattdessen bummelten wir ein bißchen durch die Altstadt und setzten und später im bekannten Barrio Húmedo in eine kleine Tapasbar.

im Barrio Húmedo reiht sich Tapas-Bar an Tapas-Bar

Das war das erste und einzige Mal, daß ich auf der gesamten Reise einen richtigen Gemüseteller vor mir hatte, und ich hätte nicht glücklicher sein können 🙂 Überhaupt ist das etwas, das ich mir für künftige Spanienurlaube merken werde: iß Gemüse, wann immer Du kannst 🙂 Die Bedienung war sehr zuvorkommend und wir unterhielten uns nett auf Spanisch und Englisch. Wieder einmal zeigte sich, wie schwer es die Spanier haben, die eben nicht wie wir in Deutschland Englisch in der Schule lernen, sondern sich privat um Fremdsprachen kümmern müssen. Mir fiel allgemein in Spanien auf, daß es in jeder größeren Ortschaft wenigstens eine Sprachschule gibt.

die Plaza Mayor von León

Unser nächste Station war Astorga, wo wir die Kathedrale und den von Gaudí erbauten Bischofspalast von außen bewunderten.

der Bischofspalast von Astorga

Am Nachmittag kamen wir am Cruz de Ferro an, dem höchsten Punkt auf dem Camino Francés, wo traditionell jeder Pilger einen von daheim mitgebrachten Stein abwirft. Ich hatte keinen Stein dabei, weil ich das Gefühl hatte, daß das, was mich tatsächlich beschwert, eher der Rollstuhl sei. Dort oben, inmitten von Heidekraut und verkrüppelten Eichen, fühlte ich mich plötzlich wieder verloren und genervt von der Behinderung. Die Traurigkeit, die ich in St. Jean verspürt hatte, war schlagartig zurück.

das Cruz de Ferro

Der Weg bis Ponferrada zog sich ein wenig, zumal es in Serpentinen bergab ging. Zum ersten Mal sahen wir hier streunende Hunde. Ihr Anblick hat mich nachdenklich gemacht. Ich hatte recht klare Vorstellungen davon, in welchem Elend diese Streuner leben würden und daß sie wohl auch eher aggressiv wären, doch beides hat sich, übrigens auf der gesamten restlichen Reise durch Spanien, nicht bewahrheitet. Die Streuner, denen wir begegnet sind, sahen alle wohlgenährt und fit aus, waren überaus autofest und sehr freundlich. Nichtsdestotrotz wäre es natürlich wünschenswert, daß die spanische Regierung Kastrations- und Gesundheitsprogramme für diese Tiere starten würde. Derzeit läuft das wohl ausschließlich über private Organisationen.

Las Medulas

In Ponferrada checkten wir erstmal ein. Diesmal hatten wir ein vier-Sterne-Hotel gebucht und entsprechend schön waren die Zimmer und die Bäder. Nach zwei Nächten an nicht so heimeligen Orten war das Balsam für die Seele. Wir machten uns kurz frisch, dann ging es direkt weiter. Unser Ziel waren Las Medulas, eine Landschaft etwas südlich von Ponferrada. Die Römer haben hier Gold abgebaut und dabei die Hügel entwaldet und zum Teil abgetragen. Davon zeugen bis heute die Medulas. Um zu ihnen zu gelangen, muß man übrigens einen sehr steilen Weg hinauf, was mit dem Rollstuhl schon eine echte Herausforderung war. Ist man erstmal oben angelangt, ist der große Mirador barrierefrei befahrbar und bietet die schönste Aussicht, die man sich wünschen kann.

Als wir später am Abend wieder in Ponferrada waren, mußten wir feststellen, daß es dort praktisch keine Tapas-Bars gibt. Oder vielleicht nur sehr gut versteckt. Jedenfalls kehrten wir bei einem Asiaten ein, der ein riesiges Buffet aufgebaut hatte. Die meisten Dinge waren leider kalt, so daß wir uns Gemüse und Fleisch zusammenstellten und das vom Koch für uns zubereiten ließen.

Mein Camino #5

Die Nacht in unserem klaustrophobischen Bungalow war ruhig und gut, doch am nächsten Morgen waren wir sehr früh auf der Straße und ich brauchte eine Weile in der weiten, offenen Landschaft, um das Gefühl von Enge abzuschütteln. Gefrühstückt haben wir in Nájera unter alten Platanen mit Blick auf den Fluß.

weite Landschaft mit Regenwolken

Unser erstes Ziel war Santa Domingo de la Calzada. Ich muß gestehen, daß ich durch die Schilderungen in diversen Pilgerbüchern den Eindruck hatte, daß die meisten Ortschaften doch eher kleine Käffer sind. Diese gibt es auch, aber weder Nájera noch Santo Domingo zähle ich dazu. Es sind beides schöne Kleinstädte, in denen es jede Menge Geschäfte und Ausgehmöglichkeiten gibt.

Kathedrale von Santo Domingo

Ein Kuriosum an der Kirche von Santo Domingo ist, daß der Glockenturm auf der anderen Straßenseite als die eigentliche Kirche steht.

Hühnerkäfig und Fladenbrotbaum

Das andere Kuriosum ist natürlich das Hühnerpaar, das in der Kathedrale wohnt, und dessen Anwensenheit auf das „Hühnerwunder von Santo Domingo“ zurückzuführen ist. Das kleine Bäumchen, das da von der Decke hängt, ist übrigens mit bunt eingefärbten Tortillas bestückt – fand ich auch interessant 😉

Altar

Ein Besuch der Kathedrale und des angeschlossenen Museums für schlappe 3 € kann ich nur jedem empfehlen, dem sich die Gelegenheit bietet. Und wie es sich gehört, krähte der Hahn auch los, als wir dort waren 🙂

la Cartuja de Miraflores

Die nächsten kleineren Orte wie Castildeldago und Tosantos durchfuhren wir nur, denn unser eigentliches Ziel war die Cartuja de Miraflores: ein Karthäuserkloster außerhalb von Burgos. Die wenigsten Pilger verirren sich hierher, was verdammt schade ist, denn das Kloster ist wunderschön.

Kirche von außen

Ein freundlicher Mitarbeiter sperrte uns die beiden Flügel des alten, schweren Holzportals auf, damit ich mit dem Rolli einfacher in das Kloster hineinkam. Die Kirche erreicht man über den kleinen Innenhof, in dem leiser Mönchsgesang vom Band läuft.

Cartuja de Miraflores

Das Erste, was man bemerkt, wenn man die Kirche betritt, ist der herrliche Duft nach Rosen. Die Karthäusernmönche in der Cartuja, die selbst den Publikumskontakt meiden, bauen weltberühmte Rosen an und stellen aus ihnen u.a. Rosenöl, Seifen und auch echte Rosenkränze her. Nach der Besichtigung der Kirche habe ich mir im Shop ein Fläschchen Rosenöl und einen echten Rosenkranz gekauft. Natürlich benutze ich den nicht zum Beten, aber als Symbol finde ich Rosenkränze faszinierend.

verregnete Meseta

Auf dem Weg nach Castrojeriz, wo wir die Nacht verbringen wollten, begann es dann zu schütten. Das war schon Ironie des Schicksals, denn der Ort liegt inmitten der ansonsten sehr trockenen Meseta-Hochebene 🙂 Wir checkten ein und fuhren dann nach Burgos zurück, um dort zu Abend zu essen. Inzwischen goß es aus Kübeln. Nachdem wir ein Parkhaus gefunden hatten, vermummte ich mich mit Regencape und Mülltüten um die Füße, damit meine Schuhe, die im Rolli an recht exponierter Stelle stehen, nicht naß werden würden.

Kathedrale von Burgos

Wir gingen zur Kathedrale, die leider schon geschlossen war. Das burgähnliche Gebäude ist riesig – das kommt auf meinem Bild gar nicht richtig rüber. Jedenfalls hörte es zu regnen auf, kaum daß wir auf der Plaza standen, so daß wir in Ruhe Bilder machen konnten 🙂

Unser Abendessen nahmen wir in einer Tapas-Bar ein: kalte Kartoffeln mit Alioli (hatte ich vorher noch nie und war sehr lecker, wie eine Art Kartoffelsalat), gebratene Champignons, ein Bocadillo mit Manchego und ein Konstrukt aus Shrimp, Artischocke, Spargel, Schinken und Käse.

Mit gut gefüllten Bäuchen bummelten wir dann noch ein wenig durch die Altstadt, wobei ich natürlich an einem Bücherladen hängen blieb. Habe mir den Herrn der Ringe auf Spanisch gekauft 🙂

Auf dem Rückweg zum Auto schien dann wieder die Sonne. Wir fuhren nach Castrojeriz zurück – der ganze Ort gleicht einer Baustelle. Überall liegen Schutt- und Sandhaufen herum, Straßen enden vor einer Treppe oder fallen seitlich ab. Parkplätze gibt es nicht sehr viele, Restaurants schon mal gar nicht. Ich habe die Fußpilger jedenfalls nicht beneidet, die sich alle in einem Laden knubbelten. Unsere Nacht war war diesmal nicht gar so friedlich, denn nachtaktive Vögel und lautschnarchende Fußpilger bildeten einen dichten Klangteppich 🙂

Mein Camino #4

Am Morgen des nächsten Tages wurden wir von unserem Herbergsvater mit einem Luxusfrühstück versorgt. Wie üblich in Frankreich war es süß-lastig: Teilchen, Konfitüre, Brioche etc. Für mich blieb leider nur Baguette und Marmelade sowie Tee, denn der Rest war laktosehaltig. Mein Mann jedoch freute sich über die vielen Leckereien 🙂

Unser erstes Ziel war der Ibañeta-Paß kurz hinter der spanischen Grenze. Die Fernsicht von dort oben ist phanömenal und mein lahmes Bild kann das überhaupt nicht wiedergeben. Überhaupt war der Teil unseres Urlaubs, den wir in Spanien verbracht haben, immer von wahnsinnig weiter Aussicht in alle Richtungen geprägt. Das Gefühl, unter endlosen Wolkenformationen durch die Landschaft zu „fliegen“, kann einen schon süchtig machen.

Ein paar Autominuten hinter dem Paß kamen wir durch Roncesvalles, wo der riesige Konvent den Ort dominiert. Aufgehalten haben wir uns hier allerdings nicht lang.

Wir kamen durch Burguete, wo ja schon Hemingway gepennt hat und wo das Hotel, in dem er das tat, nach ihm benannt ist. Hinter dem kleinen Ort bot sich mir dann ein Anblick, bei dem ich erst dachte, ich spinne. Mehr als 30 Adler kreisten über uns. Auch das kann mein Bild nicht vernünftig wiedergeben. Die Tiere waren riesig, zogen immer engere Kreise, um sich dann wieder voneinander zu entfernen. Einzelne Adler flogen Richtung Wald davon und kamen nah über uns vorbei – so nah, daß man jede einzelne Feder erkennen konnte. Leider war die Sonne so hell, daß ich nicht sehen konnte, was genau ich da eigentlich aufnehme, so daß die meisten Photos verwackelt sind. Manche Dinge kann man eben nicht knipsen, sondern muß sie im Herzen tragen.

Es ging weiter über die Hügel und Täler des schönen Navarra bis zum Erro-Paß. Hier legten wir eine Pause ein und aßen in Frankreich gekauftes Brot, Tabouleh, Sojajoghurt und Oliven. Bis nach Pamplona war es von dort aus nicht mehr. Wir hatten Glück und fanden einen tollen Parkplatz in der Nähe des Zentrums. Zur Erklärung: in Spanien sind die meisten öffentlichen Parkplätze gebührenpflichtig und auch nur begrenzt lang zu mieten. Behindertenparkplätze hingegen können mit einem entsprechenden Ausweis 24 Stunden kostenlos genutzt werden – doch sie sind leider rar.

Pamplona hat mir ausgesprochen gut gefallen. Eine tolle, lebendige Stadt. Hier habe ich auch das erste Mal meine Spanischkenntnisse auf Native Speaker losgelassen, indem ich diese beiden Iberico-Sandwiches gekauft und gefragt habe, ob Butter drauf ist 🙂 Später saßen mein Mann und ich auf der Plaza und haben gegessen, während die Stadt um uns herumwuselte.

ein Beispiel für eine Mariendistel an einem Haus

In einem Souvenirladen habe ich mir eine Jakobsmuschel gekauft, denn ich dachte, wenn schon pilgern, dann mit Muschel. An seinem Laden fiel mir ein Aufkleber mit einer Mariendistel auf und da ich im Baskenland und in Navarra sehr oft getrocknete Mariendisteln oder Abbildungen von ihnen an den Häusern gesehen hatte, fragte ich den Verkäufer, was das bedeute. Er erklärte mir, daß die Pflanze die „brujas y magos“, also Hexen und Zauberer abhalte, die ein Haus, das von Mariendistel geschützt wird, nicht betreten können. Ich liebe solches regionales Brauchtum 🙂

Bis zur Catedral de Santa María Real war es nicht weit. Wie in den meisten Kirchen und Kathedralen bezahlt man auch hier ein paar Euro Eintritt, kann dafür aber die Kathedrale und das angegliederte Museum anschauen.

im Inneren der Kathedrale von Pamplona

Die Kathedrale war beeindruckend. Die meisten Kirchen, die wir in Spanien gesehen haben, sind pompös und aufwendig ausgestattet, und angesichts dessen, woher die Kirche das ganze Geld und Gold hat, ist das schon irgendwie…makaber. Nichtsdestotrotz war ich wie so oft hingerissen von der sakralen Architektur und Kunst.

die „königliche Maria“ von Pamplona, das Herzstück der Kathedrale

Anders als in Deutschland und auch Frankreich darf man in Spanien praktisch überall photographieren (in Kirchen und Museen immer ohne Blitz). Man muß auch keine speziellen Photographierrechte (wie z.B. im Kloster Maulbronn) erwerben.

der riesige Seitenaltar bestand aus Holz und Gold

Was mich an Kirchen immer besonders interessiert, sind schräge, erschreckende, häßliche und gruselige Dinge. Ich habe keine Ahnung, warum, aber ein Großteil meiner Urlaubsbilder ist verwackelt oder verrauscht, obwohl das nicht an der Kamera liegt. Im ersten Moment war ich darüber etwas enttäuscht, aber es sind auch echte Perlen dabei wie das Bild oben. Durch das Verwischte erhalten viele Bilder eine richtig interessante Atmosphäre 🙂

Zeitbrücke

An die Kathedrale angeschlossen ist wie gesagt ein Museum. Unter dem Fundament der Kirche fand man Mauerreste und Gebrauchs- sowie Kultgegenstände, die darauf hindeuten, daß das Gelände schon seit Tausenden von Jahren für sakrale und profane Zwecke benutzt wurde. Unter einem Gewölbe kann man über die oben gezeigte „Brücke“ gehen, auf der durch Aussparungen und Beleuchtung von unten ein Zeitstrahl abgebildet ist. Rechts und links dieser Brücke kann man einen Blick auf die älteren Schichten unterhalb der Kathedrale werfen.

Teil des Altars im Kapitelsaal

Auch der Kapitelsaal gehört zum Museum. Er ist beeindruckend groß und hat einen beeindruckend kleinen, aber fein gearbeiteten Altar, von dem ich nur eine Szene geknipst habe.

die berühmten Pilgerfiguren auf dem Alto del Perdón

Nach dem Besuch der Kathedrale sind wir gemütlich zum Auto zurückgeschlendert und zu unserem nächsten Etappenziel gefahren. Etwa 20 Autominuten hinter der Stadt erhebt sich der Alto del Perdón über die Ebene. Der Alto ist wie viele andere Berggipfel in Nordspanien mit Windrädern bestückt, was ihm ein leicht surreales Aussehen verleiht. Ist man erst oben, kann man rechts und links vom Berg hinabschauen und genießt eine schier endlose Fernsicht.

Nach einem ausgiebigen Photo-Stopp ging es weiter zum Kloster von Irache. Das ansässige Kloster samt Weinmuseum spendet den Pilgern täglich 180 Liter Rotwein und unbegrenzt viel Wasser. Beides kann man im kameraüberwachten Brunnen zapfen. Als wir da waren, war der Wein leider schon leer, also füllten wir unsere Flaschen mit eiskaltem Wasser. Leider war das – wie für Leitungswasser in Spanien üblich – gechlort, so daß wir beide es nicht trinken mochten.

Bars in der Calle Laurel

Tagesziel war das schöne Logroño. Hier hatten wir einen Bungalow auf einem Campingplatz gemietet und auch wenn alles sauber war, stellten wir doch fest, daß wir einfach zu groß und zu breit für Camping sind. Vom Klo kam ich beispielsweise nur wieder hoch, indem ich die Tür öffnete und den Rahmen als Haltegriff benutzte *lol* Nachdem wir eingekauft hatten, parkten wir in der Nähe der Innenstadt und gingen zur Calle Laurel. Sie bietet unzählige Tapas-Bars. Menschen stehen draußen an den Tischen oder sitzen im Inneren, trinken Wein und essen….nun ja, eben Tapas. Wir hatten hier übrigens Patatas Bravas und huevos fritos con jamón (Spiegeleier mit Schinken).

Santa María de la Redonda

Im Anschluß bummelten wir noch durch die Stadt und genossen den lauschigen Abend und die entspannte Stimmung. Wir setzten uns auf den Platz vor der Catedral Santa María de la Redonda (für eine Besichtigung waren wir leider zu spät). Für eine Cola, einen Rotwein und ein Mineralwasser zahlten wir übrigens 3,70 €. Ich nehme an, wenn die Preise bei uns vergleichbar wären, würde ich auch öfter ausgehen…

Alles in allem haben wir in Logroño vermutlich am meisten die entspannte spanische Lebensart erfahren. Ich wäre gern für immer dort sitzen geblieben, aber unser Campingplatz schloß um 23 Uhr die Tore. Und was lernen wir daraus? Camper sind kleine, schlanke Frühaufsteher 😛

Mein Camino #3

Nach einem frühen Aufbruch fuhren wir etwa fünf Stunden, um unser erstes Etappenziel zu erreichen: die Dune du Pilat, Europas größte Wanderdüne. Vom Parkplatz aus, wo es auch Behindertenparkplätze gibt, führte ein asphaltierter und sehr sandiger Weg durch einen Pinienwald. Überhaupt fiel mir auf, wie sehr die Gegend dort in der Nähe von Bordeaux meiner badischen Heimat ähnelt: Pinienwälder, viel vertrocknetes Gras und eine Bullenhitze. Also ganz wie daheim 🙂

null Barrierefreiheit an der Dune du Pilat

Leider endete der Asphaltweg mitten im Wald. Danach gab es ausschließlich losen Sand, der eigentlich nur für Fußgänger geeignet ist. Ich blieb also mit dem Rolli dort stehen und wartete auf meinen Mann, der zum Photographieren weiterging. Mit einem Bild der beeindruckenden Düne kann ich also leider nicht aufwarten, aber im Netz gibt es dazu viel Material.

Während ich da also stand und wartete, ging mir meine Behinderung mal wieder prächtig auf den Wecker, und ich fragte mich, ob das jetzt den ganzen Camino lang so sein sollte.

Später gingen wir in der Nähe in einem Hypermarché einkaufen: Brot, Tomaten, Rouille, Käse und veganen Kokosmilchreis. Es war noch wärmer geworden und die Sandwiches, die wir während der Fahrt ins Baskenland essen wollten, schmolzen uns praktisch weg.

In den Hügeln des Baskenlands herrschte etwas milderes Klima. Was uns direkt auffielen, waren die Callas, die dort als Unkraut in den Bachläufen wuchsen. Hübsches Unkraut 🙂 Unsere Unterkunft lag sehr ländlich zwischen St. Jean Pied le Port und St. Jean le Vieux. Es gab nur einen Nachbarn in Sichtweite und ansonsten hügeliges Gras- und Weideland, das von Wäldern durchbrochen und von unzähligen Bächen durchzogen war. In der Ferne konnte man die schneebedeckten Berge der Pyrenäen sehen. Unser Herbergsvater empfing uns herzlich und störte sich auch nicht daran, daß unser Französisch mies bis nicht vorhanden war. Er half uns beim Tragen des Gepäcks und diktierte endlose Monologe in den Google-Übersetzer, der daraus fabelhaft sinnlosen Kram generierte *lol* Am Ende kapierten wir aber doch auch so, daß wir kommen und gehen konnten, wie es uns beliebte, und daß man die Haustür nicht abzuschließen brauchte. Sehr unvertraut für uns.

St. Jean Pied le Port

Unser Abendessen nahmen wir in St. Jean Pied le Port auf einem Parkplatz oberhalb der Stadt stehend ein: Baguette, Tomaten, Käse und eben die ganzen Reste vom Nachmittag.

Hauptstraße in St. Jean

Der kleine Ort an sich ist eher unspektakulär. Was ihn natürlich für Pilger so bedeutsam macht, ist, daß die meisten hier den Camino francés beginnen. Mitte Mai allerdings waren hier nicht allzu viele Pilger unterwegs. Wir bummelten durch die Altstadt und nach und nach überkam mich eine bleischwere Traurigkeit, denn ich hatte diesen Weg gehen und nicht fahren wollen.

St. Jean

Später erkundeten wir noch mit dem Auto den Nachbarort und einen herrlichen Aussichtspunkt, von dem ich leider kein Photo gemacht habe. Geschlafen haben wir in der absoluten Stille einfach himmlisch.

Mein Camino #2

Bei der Planung war uns klar gewesen, daß wir einen Zwischenstopp irgendwo mitten in Frankreich brauchen würden. Frankreich ist erstaunlich groß, vor allem wenn man es einmal von Nordost nach Südwest durchqueren muß 🙂 Um uns Tagesetappen in vernünftiger Länger einzuteilen, war unsere Wahl für den ersten Übernachtungsort auf Mer gefallen, das etwa eine halbe Autostunde südlich von Orléans entfernt liegt.

St. Urban Basilika in Troyes

Wir starteten am frühen Morgen und kamen sehr gut durch. Französische Autobahnen – das hatten wir schon bei unseren letzten Englandreisen festgestellt – lassen sich absolut entspannt fahren. Viele Phänomene, mit denen man praktisch sofort konfrontiert ist, wenn man sich auf einer deutschen Autobahn befindet, kommen da so gut wie nie vor (Raserei, Drängelei, riskante Fahrmanöver etc.). Außerdem sind die französischen Autobahnen auch wochentags fast lastwagenfrei, außer im Einzugsgebiet großer Städte. Für das entspannte Fahren bin ich auch gern bereit, Maut zu entrichten.

Unser erster Halt war Troyes, wo wir die malerische Innenstadt besichtigten. Direkt als wir aus dem Parkhaus kamen, fiel uns die St. Urban Basilika auf, die wir umrundeten. Leider war sie nicht geöffnet.

In der Altstadt von Troyes bestimmen alte Fachwerkhäuser das Bild

Die Innenstadt mit ihren Fachwerkhäusern wirkt sehr einladend, aber da wir noch einen weiten Weg vor uns hatten, setzten wir uns in keinen der unzähligen Biergärten. Stattdessen suchten wir die berühmte Kathedrale. Ihr Vorplatz ist leider gerade eine große Baustelle und mit grobem Schotter ausgestreut, den ich weder mit dem Rollstuhl noch zu Fuß hätte bewältigen können. Sehr schade, aber ich wollte keinesfalls einen Unfall riskieren.

Die Kathedrale von Troyes samt Baustelle

Unsere nächste Station war Orléans, wo ich ebenfalls die weltberühmte Kathedrale sehen wollte. An dieser fand gerade ein Mittelaltermarkt statt, doch wir hatten Glück und konnten etwa 50 Meter von einem Nebeneingang entfernt parken.

Rosette in der Kathedrale von Orléans

Die Kathedrale ist ein echtes Juwel. Ihre Apsis besteht aus mehreren kleinen Altären und seitlich des Querschiffes befindet sich ein Schrein für Johanna von Orléans, wo Gläubige ein ganzes Meer von Kerzen entzündet haben.

Der Schrein von Jeanne d’Arc

Vielleicht muß ich an dieser Stelle etwas zu meinem Glauben schreiben. Ich habe keinen. Ich hatte immer das Gefühl, daß es hilfreich und schön wäre, zu echtem Glauben fähig zu sein, aber für mich scheitert das an einer bloßen Tatsache: ich halte Spiritualität für eine Art Eigenheit, zu der ausschließlich wir Menschen fähig sind, weil wir einen Neokortex besitzen. Dieser Neokortex befähigt mich aber auch zum Objektivieren und dann verliert Glauben seinen Reiz bzw. seinen Sinn. Mich faszinieren sakrale Rituale und Symbole aller Religionen, ohne daß sie bei mir einen Funken zum überspringen bringen. Warum dann der Jakobsweg? Das ist eine verdammt gute Frage 🙂

Nachdem wir uns die Kathedrale angesehen hatten, fuhren wir weiter nach Mer. Unser Ferienhaus da war modern und großzügig und da wir uns Kartoffelgulasch zum Aufwärmen von Zuhause mitgebracht hatten, konnten wir den Abend geruhsam ausklingen lassen.

Mein Camino #1

Ich habe lange überlegt, ob ich über meinen Urlaub bloggen soll, denn ich glaube, wenn ich die Dinge in all ihrer Tiefe erzählen würde, wäre mir das zu persönlich. Insofern ist dieser Beitrag ein Kompromiß zwischen ein paar schönen Photos, einer eher nüchternen Schilderung und dem Versuch, Grenzen beizubehalten.

Ich habe in diesem Jahr den ersten 14tägigen Urlaub seit 1991 gehabt. In den ganzen Jahren dazwischen hat es entweder monetär, zeitlich oder gesundheitlich nicht geklappt, länger wegzufahren – wenn überhaupt. Und nun sollte dieser Urlaub nicht nur zwei Wochen dauern, sondern mich auch noch durch halb Südeuropa führen, genauer gesagt jeden Tag an einen anderen Ort.

Mit Behinderung samt Rollstuhl und einigen anderen speziellen Bedürfnissen ist das vor allem eine Frage der Planung. Darum haben mein Mann und ich im letzten Spätsommer minutiös zu planen begonnen, wie so ein Urlaub überhaupt aussehen könnte und überlegt, welche Dinge hilfreich wären. Wir haben eine Mappe angefertigt mit ausgedruckten Karten, falls unser Navi zusammen mit unseren Handys aus irgendeinem Grund den Geist aufgeben würde, mit den Buchungsbestätigungen der Unterkünfte und mit Listen von Orten, die man sich angucken könnte, incl. der Öffnungszeiten und der GPS-Daten. Wir haben Moltontücher für das Auto gekauft und diese blau eingefärbt, damit sie bei Sonneneinstrahlung nicht blenden würden, und die man als Schweißtuch, aber auch als Unterlegtuch für müde Beine benutzen könnte. Wir haben uns jeder ein Campingbesteck gekauft, für die Mahlzeiten unterwegs, und unser Auto mit Salz- und Pfefferstreuer ausgestattet. Wir haben uns darüber informiert, welche Arzeimittel man in Spanien mitführen sollte. Und last but not least habe ich eigentlich nur für diesen Urlaub damit begonnen, Spanisch zu lernen. Vielleicht spricht an dieser Stelle auch der Autismus aus mir, aber diese klar strukturierte Planung hat mir geholfen, die Reise vertrauensvoll zu beginnen.

Vom letzten August bis zum Beginn der Reise Mitte Mai habe ich es geschafft, mir Spanisch auf Niveau A2 beizubringen. Das war für mich insofern wichtig, als daß ich Nahrungsmittelunverträglichkeiten habe und den Gedanken, irgendwo in der Pampa keine Möglichkeit zur Kommunikation zu haben, zum Beispiel in einem Notfall oder bei einer Panne, unerträglich fand. Daß ich mich unsterblich in Spanisch verknallt habe, konnte ich nicht absehen, aber ich liebe diese Sprache wirklich sehr.

Für mich war der Zweck der Reise, mir den lang gehegten Wunsch der Pilgerfahrt nach Santiago zu erfüllen. Bereits mit 16 spürte ich, daß der Weg mich rief, aber meine damaligen Lebensumstände ließen es nicht zu, daß ich aufbrach. Rückblickend habe ich oft schon gedacht, daß ich es hätte machen sollen, aber 1993 fühlte ich mich zu jung und unerfahren, um einfach mal quer durch Spanien zu wandern. Hätte ich gewußt, was noch alles auf mich zukommen sollte, hätte ich es getan…

Später, als dann durch Hape Kerkeling der Pilgerhype losbrach, saß ich längst im Rollstuhl, doch diese alte Sehnsucht rührte sich stärker denn je in mir. Ich habe versucht, Pilgern auf meine Weise, in meiner Heimat, für mich möglich zu machen, und habe dabei sehr schöne, intensive Begegnungen gehabt und Erfahrungen gemacht, die ich nicht missen möchte. Dennoch fühlte es sich immer „nicht richtig“ an. Nur sah ich absolut keinen Weg.

In den letzten Jahren habe ich intensive Aufbauarbeit geleistet. Viel Yoga und Kraftsport gemacht, seit Januar gehe ich zwei- bis dreimal die Woche schwimmen. Auch mental habe ich stark an mir gearbeitet, und je stärker ich körperlich und mental wurde, desto mehr habe ich das Rufen des Weges vernommen. Ich weiß, es klingt total kitschig, aber genauso war es. Es ging soweit, daß ich spürte, daß es für mich keinen anderen Weg mehr geben kann, bevor ich diesen Weg nicht bewältigt hätte. Allerdings war an „echtes“ Pilgern, also an Wandern, nicht zu denken. Das werde ich in diesem Leben auch nicht mehr schaffen.

Daß mein Jakobsweg nun mit dem Auto und dem Rollstuhl bewältigt werden sollte, hat mich nicht einfach nur genervt. Es hat mich auf direkteste, brutalste Weise mit meiner Behinderung – die ich immer noch nicht akzeptieren konnte und wollte- konfrontiert. Es hat mich ungeschönt mit der Nase auf alles gestoßen, was in den letzten 12 Jahren gewesen ist.

Aber zurück zur eigentlichen Reise. Wie schon gesagt, haben wir jeden Tag ein Etappenziel gehabt, das es zu erreichen galt. Darüber hinaus hatten wir uns bestimmte Sehenswürdigkeiten herausgesucht, die teils optional, teils obligat waren. Uns war klar, daß wir in den acht Tagen, die wir insgesamt ins Spanien sein würden, nicht all die Dinge sehen und erleben würden, die Fußpilger durch ihr langsameres Tempo eben sehen und erleben würden. Auch damit mußte ich erstmal klarkommen.

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