Bei der Planung war uns klar gewesen, daß wir einen Zwischenstopp irgendwo mitten in Frankreich brauchen würden. Frankreich ist erstaunlich groß, vor allem wenn man es einmal von Nordost nach Südwest durchqueren muß 🙂 Um uns Tagesetappen in vernünftiger Länger einzuteilen, war unsere Wahl für den ersten Übernachtungsort auf Mer gefallen, das etwa eine halbe Autostunde südlich von Orléans entfernt liegt.
Wir starteten am frühen Morgen und kamen sehr gut durch. Französische Autobahnen – das hatten wir schon bei unseren letzten Englandreisen festgestellt – lassen sich absolut entspannt fahren. Viele Phänomene, mit denen man praktisch sofort konfrontiert ist, wenn man sich auf einer deutschen Autobahn befindet, kommen da so gut wie nie vor (Raserei, Drängelei, riskante Fahrmanöver etc.). Außerdem sind die französischen Autobahnen auch wochentags fast lastwagenfrei, außer im Einzugsgebiet großer Städte. Für das entspannte Fahren bin ich auch gern bereit, Maut zu entrichten.
Unser erster Halt war Troyes, wo wir die malerische Innenstadt besichtigten. Direkt als wir aus dem Parkhaus kamen, fiel uns die St. Urban Basilika auf, die wir umrundeten. Leider war sie nicht geöffnet.
Die Innenstadt mit ihren Fachwerkhäusern wirkt sehr einladend, aber da wir noch einen weiten Weg vor uns hatten, setzten wir uns in keinen der unzähligen Biergärten. Stattdessen suchten wir die berühmte Kathedrale. Ihr Vorplatz ist leider gerade eine große Baustelle und mit grobem Schotter ausgestreut, den ich weder mit dem Rollstuhl noch zu Fuß hätte bewältigen können. Sehr schade, aber ich wollte keinesfalls einen Unfall riskieren.
Unsere nächste Station war Orléans, wo ich ebenfalls die weltberühmte Kathedrale sehen wollte. An dieser fand gerade ein Mittelaltermarkt statt, doch wir hatten Glück und konnten etwa 50 Meter von einem Nebeneingang entfernt parken.
Die Kathedrale ist ein echtes Juwel. Ihre Apsis besteht aus mehreren kleinen Altären und seitlich des Querschiffes befindet sich ein Schrein für Johanna von Orléans, wo Gläubige ein ganzes Meer von Kerzen entzündet haben.
Vielleicht muß ich an dieser Stelle etwas zu meinem Glauben schreiben. Ich habe keinen. Ich hatte immer das Gefühl, daß es hilfreich und schön wäre, zu echtem Glauben fähig zu sein, aber für mich scheitert das an einer bloßen Tatsache: ich halte Spiritualität für eine Art Eigenheit, zu der ausschließlich wir Menschen fähig sind, weil wir einen Neokortex besitzen. Dieser Neokortex befähigt mich aber auch zum Objektivieren und dann verliert Glauben seinen Reiz bzw. seinen Sinn. Mich faszinieren sakrale Rituale und Symbole aller Religionen, ohne daß sie bei mir einen Funken zum überspringen bringen. Warum dann der Jakobsweg? Das ist eine verdammt gute Frage 🙂
Nachdem wir uns die Kathedrale angesehen hatten, fuhren wir weiter nach Mer. Unser Ferienhaus da war modern und großzügig und da wir uns Kartoffelgulasch zum Aufwärmen von Zuhause mitgebracht hatten, konnten wir den Abend geruhsam ausklingen lassen.