Bookshelf-Videos

Ich habe diese und letzte Woche eine Menge Videos von Polyglotten geguckt, die ihre Bücherregale filmen und dazu erklären, welche Bücher sie benutzen. Manche geben auch kurz an, wie sie ein Buch finden und warum sie es gekauft haben. Dabei ist mir aufgefallen, daß viele Menschen eine Menge Bücher besitzen, einfach nur, um sie zu haben oder zu archivieren. Wie ich schon öfter schrieb, bin auch ich bei der Anschaffung von Büchern zum Sprachenlernen SEHR sterblich. Ich merke aber in diesem Jahr, wo ich meinen Fokus auf das ausrichte, was ich bereits besitze, daß es sich für mich traurig anfühlt, solche Arbeits- und Übungsbücher nur im Regal stehen zu haben, denn eigentlich hat es überhaupt keinen Nutzen, ein solches Buch zu haben, aber nicht zu bearbeiten.

Als ich angefangen habe, Spanisch zu lernen, habe ich mir wirklich sehr viele Bücher gekauft. Meine Motivation dahinter war, daß ich absolut sichergehen wollte, von genug unterschiedlichen Quellen zu lernen, damit ich am Ende ein gutes bis sehr gutes Spanisch spreche. Das ist mir auch gelungen, aber das lag nicht an der breiten Auswahl an Büchern 🙂 Tatsächlich habe ich viele davon nur gekauft und danach nie wieder zur Hand genommen, und sofern es nicht eine mystische und arbeitsfreie Buch-zu-Hirn-Wissensübertragung gibt, hat mir die Tatsache, diese Bücher im Regal stehen zu haben, gar nichts gebracht. Der Teil von mir, der am liebsten jedes Sprachlernbuch haben möchte, das es so gibt, argumentiert dann, daß die Anschaffung vieler Bücher zu der Sprache, die man aktiv lernt, immerhin beweist, wie ernst es einem damit ist. Und in gewisser Weise stimmt das auch. Aber solange man diese Bücher nicht auch wirklich durcharbeitet, ist ihr Kauf weiterhin sinnlos und nimmt eigentlich nur Platz weg. Und Geld auch. Ressourcen also, die man, wenn man mehr als eine Sprache lernt oder auch noch andere Hobbies hat (so Leute soll es ja geben…), anderweitig nutzen könnte. Ich denke, mit der Binge-Anschaffung von Büchern, wenn man beginnt, eine neue Sprache zu lernen, ist auch die Unsicherheit verbunden, mit welchem Autor/System/Buch man am besten klarkommt, also „am besten mal alles kaufen, dann wird schon was dabeisein!“. Auch das hilft beim eigentlichen Lernprozeß überhaupt nicht, zumal man ja auch noch ein anderes Buch kaufen könnte, wenn man beim ersten Werk feststellt, daß es nichts für einen ist. Ich glaube, daß eine Menge Geld mit diesem Verhalten im Fremdsprachen-Sektor gemacht wird, weil Leute hoffen, daß sie eine Sprache tatsächlich lernen werden, wenn sie nur genug Geld dafür ausgeben. Aber die Wahrheit ist nunmal, daß man eine Sprache nur lernt, wenn man sich wirklich aktiv mit ihr befaßt – auch wenn das ganz kostenlos ist… Das gilt natürlich auch für Online-Kurse, die in den letzten zehn Jahren echt wie Pilze aus dem Boden geschossen sind.

Etwas, das ich sehr gut verstehe, auch wenn es vollkommen irrational ist, ist etwas, das ich mal „das Wohlgefühl der Archivare“ nennen will. Schließlich kann das Wissen in einem Buch, das man im Regal stehen hat, nicht so einfach verloren gehen, und sollte man es irgendwann einmal brauchen, hat man es gleich zur Hand. Ich habe dieses Gefühl für alle Genres abgesehen von Sprachlernbüchern ablegen können – sogar Kochbücher kann ich inzwischen weiterziehen lassen, sofern ich sie nicht wirklich supergern mag (meine Jamie Olivers bleiben alle da, wo sie sind^^). Aber Sprachlernbücher sind irgendwie anders. Sie zu besitzen, heißt, daß ich das Wissen in ihnen besitze und daß es mir niemand streitig machen oder wegnehmen könnte. Wenn ich also in 40 Jahren plötzlich nochmal meine Subjuntivo-Kenntnisse auffrischen wollte, könnte ich das problemlos machen. An dieser Stelle rolle ich beim Schreiben übrigens mit den Augen, weil mir klar ist, wie irrational das Horten von Büchern hier ist. Schon heute gibt es mehr über das Subjuntivo, das ich mal als ganz beliebiges Beispiel rausgegriffen habe, im Internet zu finden als in meinen Büchern dazu steht. Ich nehme an, in 40 Jahren wäre das wohl noch genauso. Und natürlich könnte auch etwas ganz Unvorhergesehenes passieren, wodurch meine Bücher zerstört werden könnten. Ich glaube allerdings, daß mein Wunsch, Wissen physisch zu besitzen, möglicherweise auch mit meinem Autismus verknüpft sein könnte, denn bei unseren Spezialinteressen sind wir Aspies ziemlich obszessiv. Mir tut es einfach gut, mich mit meinem Spezialinteresse zu beschäftigen und mich mit ihm zu umgeben. Schon der Anblick meiner Sprachlernsachen (nicht nur der Bücher) erfreut und beruhigt mich. Sie sind eben eine Welt für sich. Nichtsdestotrotz versuche ich, mir immer wieder klarzumachen, daß ich nicht dafür verantwortlich bin, dieses Wissen für andere zu archivieren, weil es dafür Bibliotheken und Online-Portale gibt.

Mir ist wichtig, daß die Anschaffungen neuer Bücher nicht eskalieren, aus der Erfahrung heraus, in den letzten 10 Jahren tausende von Büchern abgegeben zu haben. Mein Ziel war es früher mal, in einer regelrechten Privatbibliothek zu leben, was ich mit Anfang 30 auch erreicht hatte, aber de facto hat mich soviel Besitz einfach nur erschlagen, zumal es eher mehr als weniger Bücher wurden. Dahin will ich nie wieder zurück.

Konkret halte ich mich also an folgende Regeln:

  1. es werden nur Bücher zu Sprachen angeschafft, mit denen ich mich ernsthaft befassen möchte (auch wenn ich sie dann nur verstehen und nicht aktiv nutzen will)
  2. wo es geht und wo es sich ok anfühlt, greife ich auf gebrauchte und daher günstigere Bücher zurück oder nutze das Angebot der Bibliotheken
  3. keine Spontankäufe
  4. vorm Kauf genau sondieren, wie sinnvoll das Buch tatsächlich ist

Zum ersten Punkt: bei den oben erwähnten Bookshelf-Videos habe ich gesehen, daß viele polyglotte Menschen dazu neigen, sich Bücher für Sprachen zu kaufen, die sie gar nicht wirklich lernen können oder wollen (z.B. weil ihnen die Zeit dafür fehlt oder die Sprache sie gar nicht wirklich interessiert), einfach um sie zu besitzen. Und auch, wenn ich das sowas von gut nachvollziehen kann, habe ich das nie gemacht und werde damit auch nicht anfangen. Für mich war es schon mit einem schlechten Gefühl verbunden, mir einige Japanisch-Bücher gekauft, aber nie ernsthaft Japanisch gelernt zu haben, und wenn das nun für mehr als eine Sprache der Fall wäre, würde mich das echt stressen. Es nimmt dann nur wieder Platz weg und irgendwie scheinen solche Bücher bzw. unfertige oder nicht einmal angefangene Projekte allgemein ein sehr schlechtes Gefühl in mir auszulösen. Ich schließe gern ab, was ich anfange, auch wenn es sich zum Teil über einen langen Zeitraum hinzieht, wie das beim Sprachenlernen eben so ist. Für Schwedisch wußte ich z.B., daß ich es nicht wirklich aktiv benutzen können möchte, aber mich störte, daß ich nicht so viel verstand, wenn ich es irgendwo hörte. Ich habe mir also ein Lehrbuch für A1/A2 und eine Kurzgrammatik gekauft (ok, sind wir ehrlich: über die drei festlandskandinavischen Sprachen ist mit einer Kurzgrammatik ja auch alles gesagt…) und habe beides immer noch in Arbeit. Mein Ziel, Schwedisch zu 80% zu verstehen, habe ich längst erreicht, aber ich schließe diese Bücher noch ab, bevor ich sie in den Schrank räume. Dann kann ich einen Haken an die Sache machen und habe nicht mehr das Gefühl, daß da noch etwas unerledigt ist.

Zum zweiten Punkt: viele Sprachlernbücher sind meiner Ansicht nach unnötig teuer, vielleicht weil Menschen zu denken scheinen, wenn sie etwas mehr dafür ausgeben, zaubert ihnen ein Buch magisch die Sprache auf die „Festplatte“. Wenn man sich für viele Sprachen interessiert, kann das also echt richtig teuer werden. Daher gucke ich gern mal nach gebrauchten Büchern oder benutze das Angebot der Bibliotheken. Isländisch war so ein Fall. Da habe ich nur zwei Bücher aus der Bib ausgeliehen, um mir in groben Zügen beizubringen, wie Isländisch funktioniert, und da ich nicht vorhatte, mehr daraus zu machen, hat das auch gereicht. Gebrauchte Bücher zu kaufen, ist für mich allerdings manchmal heikel. Ich habe schon etliche Sprachlernbücher gebraucht gekauft, von denen es hieß, sie hätten ein paar Anstreichungen drin; am Ende stellte sich heraus, daß Dreiviertel der Seiten eng mit Kugelschreiber beschrieben waren. Das ist natürlich besonders ärgerlich, wenn man die Übungen eigentlich gern noch selbst gemacht hätte. Dazu kommt, daß gebrauchte Bücher manchmal nicht gerade geliebt wurden und dann irgendwie knittrig, miefig oder sonstwie unangenehm sind. Würde ich ein Buch nicht mit ins Bett nehmen, kann ich damit auch nicht arbeiten – jedenfalls trifft das auf Sprachbücher zu. Bei Unterhaltungsliteratur bin ich da viel weniger pingelig und leihe mir auch dann gern etwas im Bücherschrank aus, wenn es zerfranst ist, weil ich weiß, daß ich es danach wieder dort einstelle. Da ist mir das egal.

Zum dritten Punkt: Spontankäufe waren früher ein ganz großes Problem, zum einen monetär, zum anderen aber auch, weil dieses impulsive Shopping-Verhalten dazu führte, daß der Platz und meine freie Zeit unnötig abnahmen. Heute packe ich mir alles, was ich gern haben will, erstmal auf einen Wunschzettel, also nicht nur Bücher. Und dann warte ich ein paar Wochen ab. Viele Wünsche erledigen sich von selbst und am Ende bin ich immer froh, das Ding nicht direkt gekauft zu haben. Von dieser Regel mache ich nur dann eine Ausnahme, wenn ich ein echtes Schnäppchen finde. Ein Beispiel: neulich interessierte ich mich für ein Buch, das es nur noch gebraucht für 50 € aufwärts gab. Einen Tag später bot ein Antiquariat es für schlappe 3 € an. Da mußte ich einfach zuschlagen. Sollte das Buch dann doch nicht meine Erwartungen erfüllen, kommt es in den Bücherschrank, ohne daß es ein großer finanzieller Verlust für mich wäre. In besagten Bookshelf-Videos konnte ich auch mal einen Blick in die Sprachabteilungen von ausländischen Buchhandlungen werfen und war zum Teil echt überwältigt von deren Angebot, weil man dort wirklich von einer „Abteilung“ reden konnte. In meiner Region kann ich schon froh sein, wenn dem Sprachenlernen mehr als ein verschämtes Regalbrett gewidmet wird, und daß dann noch etwas anderes als Deutsch als Fremdsprache, Englisch, Französisch und Italienisch darin steht, kommt nur selten vor (und wenn, dann vielleicht Wörterbücher im Winzformat, damit das Geschäft sagen kann, daß es was in vielen Sprachen vorrätig hat). Insofern verstehe ich andere Polyglotte durchaus, die sich beim Besuch eines solchen Buchladens zu Spontankäufen verleiten lassen. In einer physischen Buchhandlung der Verlockung zu verstehen, erfordert echt eine Menge Willenskraft 🙂

Zum vierten Punkt: viele Bücher, die hübsch aufgemacht sind oder aufgrund ihrer Dicke den Eindruck vermitteln, daß man mit ihnen gut versorgt sei, sind bei näherer Betrachtung dann doch vielleicht nicht so gut, zum Beispiel weil man das, was sie vermitteln, bereits kann, oder weil sie eine für einen selbst unpassende Lehrmethode verfolgen. Diese Bücher sind nicht hilfreich und daher wäre es reine Geldverschwendung, sie anzuschaffen. Auch wenn sie ganz toll im Regal aussähen, einen wichtig klingenden Titel haben oder weil „jeder“ sie hat. Ich habe da so eine Erfahrung mit einer amerikanischen Sprachlernreihe gemacht, von der offenbar so ziemlich jeder begeistert ist außer mir 🙂 Ich habe mir insgesamt drei Bücher für zwei Sprachen gekauft und fand sie alle doof, weil sie sehr oberflächlich sind und die enthaltenen Übungen ein Witz waren. Es ist ganz egal, wie super andere Sprachenthusiasten diese Buchreihe finden – für mich lohnt sie sich nicht. Ich denke, wenn man schon länger Sprachen lernt, weiß man selbst am besten, was einem hilft, und kann dann besser bei der Anschaffung darauf achten. Allerdings gibt es auch immer wieder den Moment, wo ich feststelle, daß es das, was ich eigentlich gern hätte, überhaupt nicht gibt, weil noch niemand dieses Buch geschrieben hat 🙂

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