Sprachliche Barrieren der anderen Art

Seit ein paar Wochen habe ich eine argentinische Austauschpartnerin, die gern Deutsch lernen möchte. Da sie bisher keinerlei Deutsch und auch nur wenige Fetzen Englisch spricht, bedeutet das für mich, daß ich sehr viel Übung in Spanisch bekomme, denn unsere Alltagskonversation läuft komplett auf Spanisch ab und auch wenn ich ihr Deutsch beibringe, muß ich alles auf Spanisch erklären. Für mich ist das eine unfaßbar gute Übung und ich bin superdankbar für diesen Austausch.

Mir fiel nun auf, daß ich ihre getippten Nachrichten oft nicht direkt auf Anhieb vernünftig verstehen kann, sondern erst wenn ich sie mir mehrmals durchlese. Grund dafür ist, daß sie eigentlich keinerlei Akzente benutzt. Diese sind aber für Spanisch essentiell wichtig. Wenn man ein Wort falsch betont, verstehen spanischsprachige Menschen einen nicht (manchmal nur schwer, aber in der Regel gar nicht). Die Betonungsakzente sind also immens wichtig. Daß nun jemand, dessen Muttersprache Spanisch ist, praktisch keine Akzente setzt, fand ich absolut spannend und ich habe sie danach gefragt. Sie erklärte mir, daß das wohl einfach Faulheit sei, denn im Alltag würde sie sehr viel mit dem Smartphone texten und das Setzen von Akzenten sei da einfach lästig. Auch läßt sie teilweise Buchstaben weg oder ersetzt qu- durch k- (das K wird im Spanischen allgemein ja nur bei Lehnworten benutzt). Außerdem erklärte sie mir, daß das Bildungssystem in Argentinien ihrer Ansicht nach nicht besonders gut sei, so daß sich Kinder und Jugendliche gern Slang bei Musikern abgucken.

Ich denke, diese Einflüsse, also das Schreiben am Smartphone und die Umgangssprache in Musik und Jugendkultur, nehmen auch auf Deutsch immensen Einfluß. Ich gebe mir zwar Mühe, gutes Hochdeutsch zu sprechen (und zu schreiben), aber dennoch ist meine Sprache heute eine andere als noch vor zehn oder 20 Jahren.

Wenn wir mit Menschen kommunizieren, die eine andere Muttersprache haben als wir selbst oder gerade erst anfangen, unsere Sprache zu lernen, ist es ganz besonders wichtig, eine gute Standardsprache zu verwenden – jedenfalls finde ich das. Gerade in der ersten Lernphase, wo sich Aussprache und Grundverständnis ausprägen, kann Umgangssprache ganz schönen Schaden anrichten.

Der beste Tip, den ich meiner argentinischen Lernpartnerin für das Deutschlernen geben konnte, lautete dann auch: präg Dir direkt richtig ein, wie man Dinge schreibt, ob sie groß oder klein geschrieben werden und welchen Artikel sie haben.

Ich habe aber auch gemerkt, daß ich mit ihr (und meinen anderen Austauschpartnern) ein anderes Deutsch schreiben muß, als ich das hier tue. Ich habe Mitte der 90er, als die Rechtschreibreform noch in der Diskussion war, beschlossen, daß ich mich ihr nicht beugen werde, weil ich die Gründe, die für diese Reform angeführt wurden (z.B. es sei ja so viel leichter für Schüler, „dass“ statt „daß“ zu lernen), für Schwachsinn halte. Wenn ich also (mehrheitlich) für deutsches Publikum oder für mich selbst schreibe, dann wende ich die alte Rechtschreibregel an. Im Austausch mit Menschen, die Deutsch lernen, muß ich aber die neue Regel anwenden, damit sie es gleich richtig lernen. Ich meine, ich benutze die alte Regel ja bewußt, aber wenn ich ihnen die alte anstelle der neuen Regel beibringen würde, würde ich ihnen keinen Gefallen tun.

Ich finde es sehr interessant, welche Kleinigkeiten sprachliche Barrieren aufwerfen können – und wie oft man sich trotz dieser Barrieren dann doch versteht. Allerdings bleibe ich für den Privatgebrauch bei daß und muß und so 🙂

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