Begriffe raten für Fortgeschrittene und intuitives Sprechen

Seit Ende letzten Jahres habe ich mir mehr Möglichkeiten geschaffen, Spanisch zu sprechen. Mit meiner Lehrerin habe ich vereinbart, daß wir unsere Stunden dafür nutzen, Konversation zu machen, und zusätzlich treffe ich mich wenigstens einmal die Woche mit einem anderen Spanier zum Quatschen in WhatsApp. Dazu kommen noch die Messages, die ich meiner argentinischen Austauschpartnerin aufnehme (mit der Zeitverschiebung und den täglichen Pflichten ist es etwas schwieriger, mit LateinamerikanerInnen Termine zum Reden zu finden). Gemessen daran, wie viel Gelegenheiten mir ein Aufenthalt in einem spanischsprachigen Land böte, ist das natürlich verschwindend gering, aber ich merke durchaus eine Veränderung beim Reden.

Bestimmte Inhalte gehen mir inzwischen fast automatisch über die Lippen: Begrüßungen, Verabschiedungen, die Fragen nach dem Befinden und dem, was die andere Person alles so gemacht und gelernt hat. Auch kann ich über meine „Spezialgebiete“ (Kochen und Lernen) eine angeregte Konversation bestreiten, die etwa 10 bis 15 Minuten andauert, je nach Gesprächspartner und dessen Interessen natürlich. Über vertraute Inhalte (Wetter, Hobbies, Vorlieben und Abneigungen, Musik, Urlaub etc.) kann ich mich auch in vernünftiger Weise austauschen. Holprig wird es, wenn ich über Themen reden soll, die mich nicht interessieren (neulich fragte meine Lehrerin mich zum Thema Mode aus….das war nix…) oder mit denen ich mich noch nie näher beschäftigt habe. Grund dafür ist meist der mangelhafte Wortschatz. Mir ist schon öfter aufgefallen, daß spanischsprachige Menschen richtig schlecht darin sind, Begriffe zu raten, wenn man diese nur umschreiben und nicht klar benennen kann.

Pues, durante mi adolescencia compré mi ropa a menudo a una…no sé cómo se llama en español. Vale, allá podías comprar ropa que otra gente ya no quiso. La gente dio su ropa a una empresa y esta empresa vendió la ropa a precios muy baratos. No era una tienda de segunda mano, sino más barato, y la ropa era muy vieja y de vez en cuando defectuosa también.

Also, während meiner Jugend kaufte ich meine Kleidung oft in einer…ich weiß nicht wie man das auf Spanisch nennt. Also, dort konntest Du Kleidung kaufen, die andere Leute nicht mehr wollten. Die Leute gaben ihre Kleidung an eine Firma und diese Firma verkaufte die Kleidung für sehr wenig Geld. Es war kein Second-Hand-Shop, sondern noch viel billiger, und die Kleidung war sehr alt und oft auch defekt.

Für mich war das mit meinen wenigen Mitteln eine ziemlich gute Umschreibung für die Altkleidersammlung, aber meine spanische Lehrerin verstand nur Bahnhof. Also schlug ich die Vokabel nach (was ich in der Regel gern vermeiden möchte, um meine Ausdrucksfähigkeit zu erhöhen). Nachdem ich ihr dann recogida de ropa usada sagen konnte, klärte sich die Verwirrung. Ok, nun kann man darüber streiten, wie genau diese Beschreibung tatsächlich war, aber mir ist das auch schon passiert, wenn ich ein Messer als „ein Ding zum Schneiden“ beschrieben haben. Da funkte einfach nix ;D Warum das so ist, weiß ich absolut nicht, aber das wiederholt sich sehr oft in meinen Gesprächen.

Als ich Englisch gelernt habe, hatte ich öfter die Möglichkeit, es zu sprechen, allein schon durch den Schulunterricht und weil ich auch zum Austausch in England war und dann auch eine Austauschschülerin zu Besuch hatte. Während dieses Lernprozesses gab es einen Punkt, an dem ich Worte intuitiv gebraucht habe. Ich habe dann oft einfach ausgetestet, wie mein Gegenüber darauf reagiert, wenn ich Worte so benutze, wie sie mir gerade im Gesprächsfluß einfallen. Zum Beispiel habe ich meine Austauschpartnerin gefragt: „Already?“, als sie sagte, daß wir nach Hause gehen müßten zum Abendessen. Sie antwortete nur „Yes, unfortunately“, so daß ich wußte, ok, sie hat mich nicht nur verstanden, sondern auch unaufgeregt reagiert = es war richtig. Netterweise hat sie auch mit mir Scrabble gespielt. Das Wort swallow habe ich auf diese Weise gelernt. Sie sagte, das sei der Vorgang nach dem Kauen, und ich fragte: „And does it also mean that I take things as they are?“. Sie nickte und dann war die Vokabel für immer abgespeichert.

Bisher habe ich dieses intuitive Sprechen auf Spanisch kein einiges Mal erfahren. Das war superfrustig für mich, weil ich weiß, wie sich Sprachenlernen anfühlen sollte. Gestern dann für mich der Durchbruch. Ich habe meiner Lehrerin erzählen wollen, daß ich mir die blöden Afterwards-Trigger für den Subjuntivo immer noch nicht merken kann und feuerte im Eifer des Gefechts folgenden Satz:

Algunas palabras no se me pegan.

Einige Worte kleben sich mir nicht.

Keinerlei Reaktion, abgesehen von einem verständnisinnigen Nicken. Strike! Woher diese Formulierung kam, die ich definitiv nicht als Vokabel gelernt habe, weiß der Geier. Ich habe ja die Vermutung, daß das Gehirn eine Menge rausfiltert und behält, selbst wenn es Offline zu sein scheint, z.B. beim mehr oder weniger sinnlosen Glotzen von Videos oder dem Hören von Musik und Hörbüchern. Selbst wenn ich nicht bewußt hinhöre, bleibt etwas zurück, auf das ich sogar zugreifen kann. Ich denke, durch die stetige Befeuerung meiner Synapsen mit Spanisch konnte mein Gehirn jetzt endlich wieder auf Teile/Fähigkeiten zugreifen, die es vor 30 Jahren ausgebildet hat. Das ist ein sehr gutes Gefühl 😀

Ja, und dann gibt es auch direkt wieder Momente, wo ich nicht mal sagen kann, daß ich Tee lieber mag als Kaffee *lol*

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