Im letzten halben Jahr habe ich einige Erfahrungen mit Austauschpartnern machen dürfen und dachte, ich schreibe mal so eine Art kleinen Leitfaden dafür. Vielleicht interessiert das ja jemanden.
Die meisten meiner Austauschfreunde habe ich bei ConversationExchange gefunden. Dort kann man sich kostenlos registrieren und dann nach Partnern suchen. Mir gefällt die Seite auch deswegen so gut, weil keinerlei versteckte Kosten lauern und man wirklich mit Menschen aus der ganzen Welt Kontakt knüpfen kann. In meinem Fall war das besonders nützlich, weil Spanisch ja nicht nur in Spanien, sondern auch in den meisten Ländern Lateinamerikas gesprochen wird und es daher sehr viele und sehr unterschiedliche Dialekte gibt.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Erwartungen und Wünsche an das Sprachenlernen im Kontakt mit Austauschpartnern sehr wichtig sind. Es gibt Menschen, die selbst aktiv werden, indem sie eine Sprache anhand von Büchern oder Programmen lernen, und die den Austausch nur als „Königsdisziplin“ sehen, um Konversation zu lernen oder Fragen zu klären, zu denen die Bücher und Programme schweigen. Es gibt aber auch Menschen, die von einem Austauschpartner einen kostenlosen 1:1-Unterricht erwarten, der mehrere Stunden die Woche (oder sogar pro Tag) dauern soll. Und zwischen diesen beiden Polen gibt es sämtliche Abstufungen, die man sich vorstellen kann. Wenn man seine eigenen Bedürfnisse kennt, kann man leichter kommunizieren, was man sich vom Austauschpartner erhofft. Das macht nun bei weitem nicht jeder, aber es erleichtert dennoch die Suche. Wichtig finde ich in dem Zusammenhang auch, daß man sagt, was man nicht leisten kann. Ich persönlich z.B. betrachte den Austausch als Chance, freies Reden zu üben. Einen 1:1-Unterricht hingegen kann und will ich nicht leisten und nehme diesen daher auch nicht in Anspruch.
Überhaupt finde ich es wichtig, daß der Austausch fair ist. Dazu zählen für mich folgende Punkte:
- ich gebe meinem Partner dieselbe Zeit, wie er mir (in der Regel haben sich für mich Einheiten von etwa 30 Minuten bewährt: erst reden wir Deutsch, dann Spanisch)
- ich gehe auf den Lernstand meines Partners ein und er auf meinen. Es macht keinen Sinn, schnell oder undeutlich zu sprechen oder viele idiosynkratische Ausdrücke zu benutzen, die nicht verstanden werden
- ich gebe meinem Partner Zeit, Fragen zu stellen. Wenn ich mir nicht sicher bin, wie die korrekte Antwort lautet, kommuniziere ich das, damit er bei anderen Quellen Informationen einholen kann
- ich gebe meinem Partner ein ehrliches Feedback
- ich halte Verabredungen ein. Schaffe ich das mal nicht, schicke ich frühzeitig eine kurze Nachricht, damit er nicht auf mich wartet
Die Rahmenbedingungen sind wichtig, für mich ist jedoch außerdem wichtig, wie die einzelnen Gespräche ablaufen. Im Laufe der Zeit haben sich für mich Dinge herauskristallisiert, die die Qualität des Austauschs in meinen Augen anheben. Dazu gehören folgende Punkte:
- ich gebe meinem Partner genug Zeit, in unserem Gespräch anzukommen, indem ich erstmal frage, wie es ihm geht und was er die Woche so gemacht hat. Das lockert ihn auf und legt den Schalter auf „Kommunikation in der Zielsprache“ um
- ich lasse meinen Partner aussprechen und unterbreche ihn nicht ständig. Auch nicht, wenn er Fehler macht. Ausnahme: er fragt mich, wie man etwas sagt. Stattdessen mache ich mir Notizen über die groben Fehler. Diese spreche ich am Ende unseres Gesprächs gesammelt an
- ich lasse meinen Partner über die Dinge reden, über die er reden möchte, sei es zum Vokabellernen, sei es aus persönlichen Gründen. Ausnahme bilden hier nur sensible Themen, über die er nicht mit mir reden sollte, weil ich nicht sein Psychiater oder Arzt bin
- ich habe ein paar Fragen in der Hinterhand, die ich stellen kann, sollte das Gespräch sich totlaufen
Diese Fragen finde ich essentiell wichtig, denn sie überbrücken Momente peinlichen Schweigens. Zu diesen Fragen gehören z.B. diese hier:
- hast Du in der letzten Zeit etwas Interessantes (in Deiner Zielsprache, also meist Deutsch) gelesen/gesehen/gehört?
- hast Du Pläne für Deinen nächsten Urlaub?
- hattest Du in der letzten Woche Zeit, Dein Hobby auszuüben? Was genau hast Du gemacht?
- machst Du Sport?
- hast Du Haustiere?
- gehst Du gern aus? Wohin?
- was ist Dein Lieblings-… (-essen, -sportler, -autor, -sänger, …)?
- welche Filme interessieren Dich? Hast Du Empfehlungen für mich?
- hast Du noch irgendwelche Fragen an mich?
Ich muß gestehen, daß ich es trotz aller Möglichkeiten, die heute dank Internet dafür existieren, einen Austauschpartner zu finden, immer noch für recht schwierig halte, jemandem zu begegnen, der zu mir paßt. Was ich insbesondere sehr lästig finde, sind unzuverlässige Menschen, die getroffene Verabredungen nicht einhalten, oder die zwar gern Deutsch, aber dann nicht Spanisch reden möchten. In meinen Augen ist es wichtig, daß man da dann auch Grenzen setzt und die Mißstände entweder anspricht (wenn man das für erfolgversprechend hält) oder den Kontakt abbricht.