Gelesene Bücher im Juli 2022

  • J.D. Vance: Hillbilly-Elegie. Autobiographie, aus der Bibliothek. Vance wuchs als Sohn einer drogensüchtigen Mutter und deren ständig wechselnden Partner in der Arbeiterschicht im ländlichen Ohio auf (seine Familie stammt ursprünglich aus Kentucky, weswegen sie sich selbst als Hillbilly-Familie definiert). Frühe und viele Schwangerschaften, Drogen- und Alkoholsucht, Gewalt, Vernachlässigung und schlechte Bildung sind in diesem Milieu an der Tagesordnung, und doch schafft Vance es, nach seinem High School Abschluß und vier Jahren bei den Marines, in Yale Jura zu studieren und sich selbst so den sozialen Aufstieg zu ermöglichen. Er schildert in dem Buch sein Leben und welche Faktoren ihm geholfen haben, nicht dieselben Fehler zu begehen wie viele Menschen seiner Herkunftsfamilie und seines Umfelds: einerseits eine Handvoll Menschen, die unerschütterlich zu ihm standen, andererseits aber auch harte Arbeit und Entschlossenheit. Das Buch strotzt nur so vor amerikanischem Gedankengut und war daher für mich ein wenig skurril zu lesen. Da mich aber andere Bücher dieses Jahr (u.a. „Fremd in ihrem Land“ Arlie Hochschild Russell, das ich im Mai gelesen habe) schon auf das Mindset der weißen Unterschicht Amerikas eingeschwungen haben, wußte ich schon ungefähr, was auf mich zukommen würde. Sehr langatmig und daher für mich auch etwas langweilig. 3/5.
  • Astrid Fritz: Die Vagabundin. Historischer Roman, im Bücherschrank gefunden. 1561: Eva entflieht ihrem gewalttätigen Stiefvater zusammen mit ihrem kleinen Bruder. Bettelnd und stehlend schlagen sie sich durch, bis Eva auf die Idee kommt, sich als Schneidergeselle Adam zu verkleiden. Im Laufe der Zeit bringt sie es zu einigem Ansehen und verlobt sich sogar mit einer Frau, doch ihr Mummenschanz fliegt auf und sie wird hingerichtet. Für meinen Geschmack war das Buch zu pessimistisch und rund 150-200 Seiten zu lang. 3,5/5.
  • Matthew Pearl: Der Dante Club. Kriminalroman, gebraucht gekauft. Ende des 19. Jahrhunderts arbeitet ein Kreis von Dichtern und Denkern im Dunstkreis von Harvard an der ersten us-amerikanischen Übersetzung von Dantes Göttlicher Komödie. Da geschehen bestialische Morde und die Professoren und Dichter finden heraus, daß die Strafen, die Dante in seinem Werk schildert, als Inspiration für die Mordmethoden hergehalten haben. Sie beschließen, auf eigene Faust zu ermitteln. Insgesamt liest sich der Roman etwas zäh, was vor allem daran liegt, daß Pearl versucht hat, eine Unmenge an Hintergrundwissen über den Amerikanischen Bürgerkrieg, Dante, Boston und Cambridge und seine an historische Persönlichkeiten angelehnte Figuren unterzubringen. Nach den ersten 100 Seiten löst sich der Knoten ein wenig und dann wird die Erzählung auch wirklich spannend. Ich persönlich fand nur, daß die Auflösung etwas zu früh und auch zu unspektakulär geschieht – da hätte ich mir etwas mehr Haken und Ösen gewünscht. Insgesamt 4/5.
  • Chris Fitch und Matthew Young: Subterranea – Die geheimnisvolle Welt unter der Erde. Sachbuch, aus der Bibliothek. Die beiden Autoren gewähren Einsicht in weitverzweigte Höhlensysteme, in Kavernen, die mit giftigen Dämpfen gefüllt sind, in Fluchttunnel und Bunker, in Lagerstätten für Saatgut und Eisbohrkerne, in Massengräber und moderne Bestattungszentren, in stillgelegte U-Bahn-Tunnel, ganze Untertage-Städte und allerlei andere unterirdische Orte mehr. Fotos und detaillierte Karten runden das Buch ab. Hat mir total gut gefallen! 4,5/5.
  • Silke Urbanski und Michael Siefener: Totentanz. Historischer Kriminalroman, gebraucht gekauft. 1466, Lübeck: Bernt Notke ist vom Stadtrat beauftragt worden, den Lübecker Totentanz in der Marienkirche zu malen. Kaum hat er die ersten Bilder fertiggestellt, werden in der Stadt mehrere Menschen ermordet, die den Figuren auf den Bildern sehr ähnlich sehen. Hat Notke etwa den Teufel in die Hansestadt gebracht? Zeitgleich muß sich Jordan, der Sohn eines reichen Kaufmanns, zwischen einem gemachten Nest und seinem Lebensglück als Maler an der Seite der Marzipanbäckerin Lucia entscheiden, die gerade ihre beiden Schwestern verloren hat… Klassischer Krimi, der mich insbesondere deswegen angesprochen hat, weil mich die Marienkirche und ihre Geschichte seit gut 25 Jahren beschäftigt und ich Lübeck immer sehr gern besucht habe. Stimmungsvoll, aber nicht besonders raffiniert konstruiert, daher 3,5/5.
  • Jesper Nyström: Planet der Pilze. Sachbuch, aus der Bibliothek. Nyström erzählt von versteinerten Pilzen aus dem Erdinneren, die darauf schließen lassen, daß man auch im Gestein des Mars Pilzversteinerungen finden könnte, von Mykorhizzae in den Wäldern und dem Verhältnis zwischen Pilzen und Bäumen, von Pilzen, die industriell genutzt werden und solchen, die wir Menschen vielleicht in Zukunft nutzen werden. Abgerundet wird das Buch von vielen interessanten Photos. Das Buch ist informativ, aber nicht wissenschaftlich geschrieben. Wer einen ersten Einblick in das Thema sucht, ist hier gut beraten, mir persönlich gefiel „Verwobenes Leben“ von Merlin Sheldrake allerdings besser. 4/5.
  • Neil Ansell: Tief im Land. Nature Writing, aus der Bibliothek. Nach intensiver Reisetätigkeit beschließt Ansell, fünf Jahre allein in einem einsam gelegenen Cottage in Wales zu verbringen. Er berichtet von seinen Arbeiten im und am Haus, von seinen Begegnungen mit Vögeln und anderen Tieren und seinen Wanderungen. Was ich besonders interessant fand, war die Aussage, daß er selbst erwartet hatte, in dieser Zeit viel Gelegenheit zum Reflektieren zu haben, daß er aber stattdessen das Gefühl hatte, sein Selbst zu verlieren. Mir hat das Buch deutlich besser gefallen als die beiden von John Lewis-Stempel, die ich im Juni gelesen habe. 4/5.
  • Ronald Gerste: Wie das Wetter Geschichte macht – Katastrophen und Klimawandel von der Antike bis heute. Sachbuch, aus der Bibliothek. Gerste gibt in seinem Buch zahlreiche Beispiele dafür, wie das Wetter bzw. Wetterphänomene die Geschichte beeinflußt haben: ob nun das Scheitern Napoleons bei der Invasion Rußlands oder bei Waterloo, die Befreiung der us-amerikanischen Geiseln im Iran 1980, das „Jahr ohne Sommer“ nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora im Jahr 1816 oder das fehlgeschlagene Attentat auf Hitler im November 1939 – das Wetter pfuscht nicht nur in die Politik hinein, es inspiriert Menschen auch zu Kunst und Literatur (wie etwa Turners Bilder oder auch Shelleys Frankenstein), hat großen Einfluß auf unsere Lebenserwartung und kann zum Enstehen und Vergehen von Nationen führen. Informativ und gut zu lesen. 4/5.
  • Jacob Ross: Die Knochenleser. Krimi, aus der Bibliothek. Michael „Digger“ Digson wird von einem Polizisten, der bald in Pension geht, in den Polizeidienst aufgenommen. Er darf sogar nach England fliegen und dort eine forensische Ausbildung durchlaufen. Zurück auf Camaho, einer offenbar fiktiven Insel der Kleinen Antillen, widmet sich Digger zusammen mit der Tochter seines Vorgesetzten einem Cold Case: vor einigen Jahren verschwand ein junger Mann spurlos, doch es stellt sich heraus, daß er nicht der einzige ist. Die Spur führt zu einer sektenartig organisierten Gemeinde… Eigentlich handelt es sich hierbei um einen absolut durchschnittlichen Krimi, doch daß er in einem Milieu spielt, von dem zumindest ich noch nicht viel gehört habe, macht ihn durchaus interessant. Sehr schnell zu lesen, obwohl mich die Slangsprache etwas genervt hat. 3,5/5.
  • Agnès Poirier: Notre Dame – Die Seele Frankreichs. Sachbuch, aus der Bibliothek. Poirier schildert den Brand von Notre Dame und geht dann auf einzelne  ihrer 850jährigen Geschichte ein, wie etwa die Grundsteinlegung, ihr Schicksal nach dem Sturm der Bastille, Napoleons Krönung, ihre umfassende Sanierung unter Eugène Viollet-le-Duc und ihre Bedeutung für Charles de Gaulle. Mir war das Buch etwas zu knapp und leider ließ es auch viele interessante Aspekte außen vor. Dazu muß man den französischen Nationalstolz, der hier und da recht schwülstig aus den Seiten trieft, überlesen können. 4/5.
  • Jochen Dieckmann: Ferner Osten auf der Überholspur. Reisebericht, aus der Bibliothek. Dieckmann fährt zusammen mit seinem Neffen im Camper auf der neuen Seidenstraße von Wuppertal nach China (und eigentlich noch weiter über Laos irgendwo ans Meer). Solche Berichte lese ich normalerweise sehr gern, aber leider erschöpft sich dieser in ellenlangen und schnarchlangweiligen Schilderungen von Pannen und Problemen mit diversen Behörden. Landschaftsbeschreibungen werden knapp eingestreut, weswegen beim Leser keine Reisestimmung aufkommen mag, und Dieckmann hat auch immer viel zu meckern. Zudem hat das Buch ein richtig schlechtes Lektorat gehabt, wenn überhaupt – es gibt sehr viele Rechtschreibfehler und die Landesinfos, die eigentlich zu Beginn eines Abschnitts stehen, wurden auch schon mal vergessen. War nicht mein Fall. 2/5.

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